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Archiv-Artikel

Und …? Wie war ich?

Außenminister Joschka Fischer live im Visa-TV: Was für ein Auftritt. Jetzt ist alles drin

Von CSCH

Protokoll eines Fernsehvormittags

10.02 Uhr: Des Ausschussvorsitzenden Hans-Peter Uhl weist darauf hin, dass Aufnahmen, die nicht vom Parlamentsfernsehen stammen, ausdrücklich nicht autorisiert sind. Dafür ist die Übertragung der Parlamentsfernsehbilder kostenlos. Phoenix, n-tv, N 24 und der Berliner Sender XXP nutzen das Schnäppchen und übertragen. Die Bilder sind identisch, nur N 24 setzt zusätzlich auf „Live-Voting“: „Machen Sie den ‚Fischer-Test‘!“, heißt es dort unablässig in einem der Laufbänder. Viermal pro Stunde soll man eine 09 00-Nummer anrufen und „urteilen“. N 24 nennt’s „Deutschlands schnellstes Meinungsbarometer“.

10.10 Uhr: „Zeuge Fischer“ ergreift das Wort, N 24 hat für seinen „Fischer-Test“ schon mal ein paar Beispielfragen vorbereitet: „Wirkt Fischer nervös?“ „Kann der Außenminister punkten?“ „Ist die Befragung zu hart?“ Ein Anruf kostet 12 Cent.

10.11 Uhr: Nebenan beim Sportsender DSF kostet der Anruf 49 Cent. Dafür gibt’s dort was zu gewinnen. Angeblich. Anrufen will aber offenbar trotzdem niemand. Zumindest behauptet das diese süße Moderatorin.

10.19 Uhr: Auf Phoenix & Co. beendet Fischer seine „Vorbemerkung“ und beginnt seine eigentliche Erklärung, auf CNN hält Putin eine Rede an die Nation, im BR liest der Papst eine Messe, auf DSF hat angeblich immer noch niemand angerufen.

10.45 Uhr: Dafür hat N 24 offenbar mehr Fragen als der Untersuchungsausschuss: „Wird Fischer die Visa-Affäre politisch überleben?“ „Wird Fischer heute punkten können?“ „Wird Fischer die Visa-Affäre politisch überleben?“ „Hätte Fischer schon längst zurücktreten sollen?“ „Ist Fischer reif für den Rücktritt?“ „Redet Fischer um den heißen Brei?“ „Zieht Fischer eine Show ab?“ „Wirkt Fischer souverän?“ „Finden Sie die Aussagen von Joschka Fischer glaubwürdig?“ „Finden Sie Fischers Auftritt überzeugend?“ Die Ergebnisse liegen meistens bei 50 : 50, manchmal auch bei 30 : 60 oder 60 : 30, und wie finden wir eigentlich Fischers Krawatte?

10.59 Uhr: „Das Sendungsende ist erreicht!“, sagt die DSF-Moderatorin.

11.33 Uhr: „Mir kommen die Tränen …“, sagt Uhl. „Darf ich Ihnen mein Taschentuch anbieten?“, sagt Fischer. Und im BR raunt der Kommentator, es sei „erstaunlich, wie er zu einem eigenen, lockeren Stil gefunden hat in der kurzen Zeit“. Gemeint ist der Papst.

12.14 Uhr: Eurosport zeigt Bilder vom Hamburg-Marathon: Der Sieger kam nach zwei Stunden und gut siebeneinhalb Minuten ins Ziel.

12.15 Uhr: Im ZDF-Mittagsmagazin heißt es zu Fischers Befragung: „Es wird ein Marathon-Auftritt werden.“

12.28 Uhr: Nach zwei Stunden und achtzehn Minuten hat auch Fischer seine Ausführungen beendet. „Mir kam’s kürzer vor“, sagt er. „Nimmt Fischer die Visa-Affäre ernst genug?“, fragt N 24.

12.30 Uhr: Die erste Fragerunde beginnt. Aber mal ehrlich: Diese Frau neben CDU-Obmann Eckart von Klaeden im Sitzungssaal ist nicht Nadja Abdel Farrag, oder?

14.24 Uhr: Mittagspause! „Die Fernsehübertragung hat sich gelohnt. So hatten die Fernsehzuschauer die Gelegenheit, sich vom Versagen des Außenministers ein eigenes Bild zu machen“, sagt CDU-Obmann von Klaeden in eine TV-Kamera. Er klingt überzeugt. Aber er hat’s ja auch gar nicht gesehen. CSCH