: Raúl Castro legt den Rückwärtsgang ein
KUBA Der Staatschef erteilt einer Abkehr vom Sozialismus ein klare Absage. Auch ein geplanter Parteikongress soll in diesem Jahr nicht mehr stattfinden. Ein herber Dämpfer für alle Hoffnungen auf einen Wandel
VON KNUT HENKEL
BERLIN taz | „Ich wurde nicht zum Präsidenten gewählt, um in Kuba den Kapitalismus wiederherzustellen“, betonte Kubas Staatschef Raúl Castro am Samstag in seiner Rede vor dem Parlament. „Ich wurde gewählt, um den Sozialismus zu verteidigen, zu erhalten und zu perfektionieren, nicht um ihn zu zerstören“, fuhr der 78-Jährige fort.
Das waren klare Sätze an die Adresse der USA, die „fundamentale Änderungen“ als Voraussetzung für den Dialog zwischen beiden Ländern eingefordert hatte. „Wir sind bereit, über alles zu reden, aber unser politisches und soziales System steht nicht zur Debatte“, bekräftigte der Nachfolger von Fidel Castro.
Gleichzeitig bescheinigte er den USA, Fortschritte im Umgang mit Kuba gemacht zu haben. So trete die Administration weniger aggressiv auf und habe auch ihre antikubanische Rhetorik abgeschwächt, so Castro. Zwar seien die von US-Präsident Barack Obama verabschiedeten Maßnahmen positiv, aber nur minimal, denn das Handelsembargo sei weiter in Kraft.
Doch vor allem die schwierige ökonomische Situation der Insel dürfte Castro die größten Sorgen machen. So wurde die Wachstumsprognose für 2009 zum zweiten Mal nach unten korrigiert. Von 6 Prozent auf 1,7 Prozent. Sie könnte weiter sinken, denn die Nachfrage nach Nickel – Kubas wichtigstem Exportprodukt – ist relativ schwach, und auch beim Tourismus sind die Einnahmen rückläufig.
Doch der Devisenbedarf der Regierung ist hoch, da die Folgen der drei Hurrikane, die 2008 über die Insel fegten, noch nicht überwunden sind. Kredite aus Russland helfen der Regierung aus der kurzfristigen finanziellen Bredouille, doch unter Kubas Wirtschaftswissenschaftlern ist unstrittig, dass neue ökonomische Leitlinien benötigt werden.
Die sollten auf dem mit Spannung erwarteten VI. Kongress der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) im Herbst debattiert und beschlossen werden, so Omar Everleny Pérez, Ökonom am Forschungsinstitut der kubanischen Wirtschaft (CEEC). Doch nach einer Krisensitzung des Zentralkomitees der PCC wurde der Parteitag am Samstag abgesagt. Eine Konferenz solle nun zumindest die Personalfragen klären, bis die ökonomische Situation analysiert sei.
Für die Bevölkerung ist das genauso eine Enttäuschung wie der neuerliche Sparappell Raúl Castros, erklärte der international bekannte christdemokratische Oppositionelle Oswaldo Payá. Sein Kollege Manuel Cuesta Morúa, ein Sozialdemokrat, attestiert der Regierung hingegen, dass sie die politisch-ökonomischen Verhältnisse auf der Insel einfriere. KNUT HENKEL