Affenforscher in der Offensive

Die Bremer Universität geht mit den angeblich bahnbrechenden Ergebnissen ihrer Makaken-Versuche hausieren und kassiert Applaus. Tierschützer hat sie „absichtlich“ nicht aufs Podium gebeten. Ein Ende der Elektroden-Implantiererei ist nicht in Sicht

Bremen taz ■ Fast hätte er sie vergessen, die Frage. Die Frage, die das Publikum gleich mehrfach stellt: „Wie lange noch?“ Sie liegt in der Luft. „Was denken Sie, wann man auf diese Tierversuche verzichten kann?“, will die frühere Bürgerschaftspräsidentin Christine Bernbacher wissen. „Haben Sie jetzt Ihr Ergebnis erreicht?“, erkundigte sich, etwas spitz, die Grünen-Wissenschaftsdeputierte Silvia Schön. Hirnforscher Andreas Kreiter schweigt. Schöns CDU-Kollege Jörg Jäger, von der Universität als Moderator für das Podium im Festsaal der Bürgerschaft engagiert, wiederholt die Frage. Kreiter schweigt. Konrektor Reinhard Fischer beugt sich zu ihm herüber, flüstert. „Ach so, die zeitliche Perspektive“, sagt Kreiter. Und formuliert eine Gegenfrage: „Wollen Sie, dass ich spekuliere, wie lange es dauert, bis die kognitiven Prozesse verstanden sind?“

Die kognitiven Prozesse. Wie funktioniert das Gehirn? Wie äußert sich Aufmerksamkeit? Wie funktioniert das Arbeitsgedächtnis, wie das visuelle System? Das sind Fragen, die Kreiter und seine Kollegen interessieren. Und um die zu beantworten sie unter anderem Makaken-Affen Elektroden-Folien in den Schädel implantieren, um die Tiere dann, bewusst durstig gehalten, an den „Primatenstuhl“ gefesselt, vor den Monitor zu setzen, den Stecker in die eingebaute Buchse im Kopf gesteckt. Im richtigen Moment das Hebelchen gedrückt gibt einen Tropfen Saft. Am Ende wird das Hirn seziert.

„Schule und Lernen, Medizin und Medizintechnik, Gewalt- und Konfliktforschung“, sagt Konrektor Fischer, „das sind alles Schlagworte, die sie in Bremen schon gehört haben.“ Und die, das will er damit sagen, irgendwie in Zusammenhang stehen könnten mit dem, was Wissenschaftler an der Bremer Uni im weiten Bereich der Kognitionswissenschaften erforschen. Drei Sonderforschungsbereiche sind in diesem Bereich angesiedelt, demnächst soll noch ein Studiengang „Neuroscience“ dazukommen. „Nur ein kleiner Teil unserer Kollegen macht invasive Tierversuche“, stellt der Leiter des Zentrums für Kognitionswissenschaften Klaus Pawelzik klar: „Es werden relativ wenig Tiere verbraucht.“

Im Herbst 2004, als das Gesundheitsressort die Genehmigung für die umstrittenen Versuche, gegen die an die Zehntausende BremerInnen protestiert hatten, auf dem kurzen Dienstweg um ein weiteres Jahr verlängerte, war den Affenforschern heftige Kritik entgegengeschlagen: Ihre Versuche hätten kaum Ergebnisse erbracht, den Nachweis der „unbedingten Notwendigkeit“ der Experimente hätten sie bis heute nicht erbracht, mit falschen Behauptungen hätten sie Öffentlichkeit und Politiker getäuscht, hieß es.

Jetzt gehen die Wissenschaftler und die Universität in die Offensive. Nein, durch die Affen-Experimente würden Krankheiten „nicht direkt erforscht und bekämpft“, räumen sie ein. Aber die von ihnen betriebene „Grundlagenforschung“ sei „zwingende Voraussetzung, um Prozesse im Gehirn zu verstehen und Krankheiten zu heilen“, sagt Pawelzik. Kreiter berichtet von einem „erfolgreichen Erklärungsansatz für Mechanismen der Schizophrenie“, den seine Forschung geliefert habe – und erntet Applaus. Die Bitte von Tierschützern, ebenfalls aufs Podium zu dürfen, habe man „ganz bewusst“ ausgeschlagen, sagt Fischer: „Ein Pro und Contra zwischen Fachleuten erschien uns weniger angemessen.“ „In meinen Augen ist das eine Selbstdarstellung der Uni“, kommentiert eine Frau. Auch sie erntet Applaus. Armin Simon