: „Preuße“ am dänischen Hof
NATIONALEPOS Nikolaj Arcel ist kein Billy Bob Thornton: „En Kongelig Affære“ (Wettbewerb)
Es gibt Filme, die wie „The Iron Lady“ nur um eine wichtige Person der Geschichte kreisen und dennoch filmisch überzeugen. Und es gibt Filme wie den dänischen Wettbewerbsbeitrag „En Kongelig Affære“, die das weniger tun. Und das liegt nicht allein daran, dass „The Iron Lady“ mit Meryl Streep als Margaret Thatcher so gut besetzt ist. „En Kongelig Affære“ hätte mit Mads Mikkelsen in der Hauptrolle des Arztes und Königsberaters Johann Struensee einen zumindest außergewöhnlichen Darsteller aufzubieten. Doch im Gegensatz zu „The Iron Lady“, der eine gebrochene und ironische Erzählweise zur jüngeren britischen Nationalgeschichte entwickelt, begnügt sich „En Kongelig Affære“ damit, die dramatischen Vorkommnisse am dänisch-norwegischen Königshaus am Vorabend der bürgerlichen Revolution bieder nachzuerzählen.
Schon mit der ersten Einstellung macht Regisseur Nikolaj Arcel klar: Diese Geschichte muss schlecht ausgehen. Was ja auch wirklich so war. Und so schaut die weibliche Hauptdarstellerin Alicia Vikander von Beginn an ernst und traurig in die Kamera. Sie spielt die geborene Prinzessin von Großbritannien Caroline Mathilde, die (mehr Kind als Frau) im Jahre 1766 mit Christian VII. (mehr Kind als Mann), König von Dänemark und Norwegen vermählt wurde.
In seinem Humor beschränkt sich dieses Nationalepos darauf, die Tölpeleien des in die Geschichtsschreibung als schwachsinnig eingegangenen Christian VII. herauszustellen. Dieser ist an seinem Kopenhagener Hof umgeben von einer machthungrigen Adelsclique, Graf Bernstorff führt statt seiner die Amtsgeschäfte. Doch als man zur Unterstützung der königlichen Psyche den Altonaer Arzt Johann Struensee 1768 herbeiruft, geraten die Dinge außer Kontrolle.
Struensee ist ein Anhänger der Aufklärung. Er gewinnt am Hofe immer mehr Einfluss auf König Christian VII., bis dieser sogar die alte Adelsclique zum Teufel jagt. Heroisch starrt Mads Mikkelsen in seiner Rolle als Struensee vor sich hin. Ob er Dekrete verfasst oder die Königin (oder von der Königin) heimlich verführt (wird), die kraftvolle Figur und Mimik des „Preußen“ am dänischen Hofe scheint in Stein gemeißelt. Genauso wie sein tragisches Ende.
Regisseur Arcel inszeniert ein finsteres Dänemark, eine Bastion der Gegenaufklärung Ende des 18. Jahrhunderts. Doch, oh Wunder, es wurde bald alles gut. Friedrich VI., Sohn Christians VII. und Caroline Mathildes, holt sich in einem Gegenputsch 1784 die Krone zurück. Er setzte das Werk Struensees und seiner Eltern erfolgreich fort. Dänemark wurde zum pietätvollen Hort der Aufklärung. Bis heute. ANDREAS FANIZADEH
■ Heute, 15 Uhr, Friedrichstadt-Palast; 19. 2., 16 Uhr, Berlinale Palast