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Archiv-Artikel

Im eigenen Kohlgarten begraben

MUSEUMSSOMMER (I) Wo der Reformator Menno Simons seine Pamphlete druckte: Die Mennokate bei Bad Oldesloe ist das Erste der kleinen, besonderen Museen im Norden, die wir in den nächsten Wochen an dieser Stelle porträtieren

Die Mennokate

Die Besucher der Mennokate stammen bislang vor allem aus Kanada, den USA, Mittel- und Südamerika. Was sie vorfinden:

■ Einen Bau aus Feld- und Ziegelsteinen, seit 1962 Museum. Er präsentiert Werke Menno Simons’ sowie Karten, Stiche und Bilder zu seiner Vita und zur Mennonitenbewegung.

■ Unter Denkmalschutz steht neben dem Haus auch die Linde davor, die Menno selbst gepflanzt haben soll. Äußerlich zu besichtigen sind Haus und Gedenkstein in Altfresenburg bei Bad Oldesloe jederzeit. Eine Voranmeldung ist erwünscht.

■ Geöffnet sind die beiden Museumsräume wochentags ab 9 Uhr (im Winter ab 10 Uhr).

■ Anmeldung bei Karin und Dietrich Janzen unter ☎ 04531 / 80 07 67.

■ Internet: www.mennokate.de

AUS ALTFRESENBURG HAJO SCHIFF

Ein Haus, ein Baum, ein Stein abseits der Landstraße: Für knapp anderthalb Millionen Menschen weltweit ist dieser Ort nördlich von Bad Oldesloe so etwas wie eine Pilgerstätte. Den anderen sagt die Erklärung, die kleine, über 450 Jahre alte Mennokate sei nach Menno Simons benannt, erst einmal nichts. Doch gelangen die Besucher in die beiden Museumszimmer oder haben das Glück, mit dem Verwalter Dietrich Janzen in der Weinlaube hinter der Kate ins Gespräch zu kommen, öffnet sich ein Blick weit zurück in die Zeit der Religionskämpfe der Reformation.

Der seit 1999 hier lebende Katenhüter erzählt, wie das Denkmalschutzamt darauf achtet, dass der ärmliche Charakter der Hütte erhalten bleibt – schließlich war das ehemals nur „weiße Kate“ genannte einfache Reetdachhaus einst das Armenhaus des nahen adeligen Gutes Alt-Fresenburg. Aber seit 1960 hat die Arbeitsgemeinschaft der Mennonitengemeinden in Deutschland das Baudenkmal vom Freiherrn von Jenisch gepachtet: Es ist eines der wenigen Objekte, die mit dem Leben ihres Namengebers, des Reformators Menno Simons in direkter Verbindung stehen. Und so sieht der Gedächtnisort Besucher aus Paraguay, Brasilien, Uruguay, Kanada oder den USA: Die meisten Mennoniten gibt es heute außerhalb Europas.

Im nahen Wüstenfelde lebten ab den 1540er-Jahren zahlreiche Anhänger der so genannten Wiedertäufer, eine ansehnliche Gemeinde mit mehreren Predigern. Bartholomäus von Ahlefeld, der Gutsherr von Fresenburg, wird den vielfach Verfolgten nicht nur aus Menschenfreundlichkeit und religiöser Toleranz Schutz gewährt haben, sondern auch um sein Gut weiter zu entwickeln. Denn unter ihnen befanden sich doch „viele kunst-,kost- und nutzbare, auch andere ordinäre Handwerker, davon vorhin keine in Holstein gewesen“, so ist es überliefert.

Solchen Schutz von höchster Stelle gab es auch später: So rief Katharina die Große niederländische Mennoniten bei Religionsfreiheit, aber Missionsverbot in ihr Reich, vor allem, damit die im Wasserbau so bewanderten Niederländer das Delta von Weichsel und Nogat im heutigen Polen zähmten oder das Flussland an der Wolga und in der heutigen Ukraine. Viele Mitglieder der norddeutschen Mennonitengemeinden sind inzwischen Flüchtlinge oder Rückwanderer aus eben diesen Gebieten, so auch der Katenhüter Dietrich Janzen.

Während die Siedlung Wüstenfelde heute nur noch Ackerland ist, da sie im 30-jährigen Krieg buchstäblich dem Erdboden gleich gemacht wurde, blieb die kleine weiße Kate erhalten. Sie war damals eine Druckerei. Hier entstanden an einer Gutenberg-Presse unter anderem die „Fresenburger Drucke“, theologische Dispute des Menno Simons. Nachdem er 1555 aus Wismar ausgewiesen worden war, verbrachte der niederländische Reformator hier auf dem Gebiet des Fresenburger Gutes seine letzten Jahre. Er starb 1559 oder 1561 und wurde der Überlieferung nach in seinem Kohlgarten begraben. Erst 1902 wurde mitten in einem Bauernacker dieser Platz wieder ausfindig gemacht und mit einem Gedenkstein markiert.

Menno Simons wurde 1496 im niederländischen Witmarsum geboren. Er wählte die theologische Ausbildung und wurde 1524 zum Priester geweiht. Doch es war die Zeit, in der die katholische Glaubensgewissheit mehr und mehr ins Wanken geriet. Luther, Calvin, Zwingli und andere Reformatoren fanden in der Heiligen Schrift keine Begründung für das Papsttum und die Machtfülle der Kirche – und auch nicht für den Reliquienkult oder das Sakrament der Eucharistie. Acht Monate nach dem Fall des Wiedertäuferstaates in Münster sagte sich Menno Simons 1536 von der katholischen Kirche los und wurde – teils auf freiwilligen Reisen, teils auf der Flucht – zum wichtigsten Prediger und geistlicher Führer der friedlich gesinnten Täufer im niederländisch-niederdeutschen Raum. Noch heute sind die Mennoniten, diese älteste evangelische Freikirche, nach ihm benannt.

Aus Mennos Zeit stammt in Altfresenburg ziemlich sicher die alte Linde vorm Druckhaus, die er eigenhändig gepflanzt haben soll. Auch ist das innere Eichenfachwerk der Kate noch aus dem Erstbau an dieser Stelle, Wände, Fenster und Dach sind allerdings wesentlich neueren Datums. Was ist drinnen noch zu sehen? Einige Karten über die Wanderungen der Mennoniten und Fotokopien von in verschiedenen Archiven verstreuten Quellen zu Menno Simons. Wenige Bilder geben eine idealisierte Vorstellung eines Renaissance-Gelehrten, authentische Abbilder von ihm sind nirgends bekannt. Eine Porzellan-Miniatur zeigt ein Paar der sehr traditionellen US-amerikanischen Mennonitengruppierung der Amish People, alte Abendmahlsbecher geben Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass die Mennoniten das Abendmahl nur als Gedächtnismahl ansehen. Fotos zeigen die schmucklosen Mennonitenkirchen, und vor allem warten Bücher auf die, die Genaueres erfahren wollen. Was sind nun in Kürze die Kernpunkte, die bei aller Verschiedenartigkeit allen Mennoniten wichtig sind? Dietrich Janzen nennt: Glaubenstaufe als Erwachsener – dann, wenn man sich entschieden hat, ein Leben nach der Bibel zu führen. Jeder Dienst mit der Waffe wird verweigert; in den Gemeinden herrscht keine Hierarchie.

Es ist ein kurzer Weg zum Menno-Gedächtnisstein mit Bronzeplakette, der vom abgelegenen Acker hier hinter die Kate überführt wurde. Im Halbkreis liegen darum Grußsteine von Mennonitengemeinden aus aller Welt. Wären sie nicht allem unnütz Kultischen gänzlich abgeneigt, könnte man sagen, der idyllische Platz im holsteinischen Travetal wäre ein mennonitisches Mekka. Doch was religiöse Gruppierungen angeht, scheint die Gegend schon etwas Magnetisches zu haben. So sind auch die Gegner von einst nur wenige Kilometer entfernt: Benediktiner-Mönche haben seit 1951 das ebenfalls aus der Renaissance stammende adelige Gut Nütschau zum katholischen Kloster St. Ansgar gemacht.