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Archiv-Artikel

„Unsere Kritik kursiert weltweit“

Die heutige Hauptversammlung des Chemiekonzerns Bayer soll für sichtbare Proteste genutzt werden, kündigt Philipp Mimkes von der Coordination gegen Bayer-Gefahren an

taz: Herr Mimkes, die Coordination gegen Bayer-Gefahren protestiert jedes Jahr bei der Bayer-Hauptversammlung in Köln gegen die Unternehmenspolitik. Warum heute wieder?

Philipp Mimkes: Es gibt eine Reihe von Missständen. Zum Beispiel wurde Bayer im letzten Jahr vier mal bei Preisabsprachen mit der Konkurrenz erwischt und musste Millionen Euro Strafe zahlen. Das ist ein Betrug an den Verbrauchern.

Deshalb beantragen sie, den Vorstand nicht zu entlasten?

Ja, der entsprechende Antrag ist schon eingereicht. Außerdem haben wir andere Gruppen eingeladen, die ebenfalls Kritik üben werden. Das Eine-Welt-Netzwerk NRW zum Beispiel wird Bayer damit konfrontieren, dass es bei indischen Zulieferern in der Saatgutindustrie Kinderarbeit gibt. Imker werden gegen Bayer-Pestizide protestieren, die unter anderem für das Bienensterben in Europa verantwortlich sind.

Wie reagieren die anderen Aktionäre auf ihren Protest?

Wir haben mittlerweile mehrere Hundert Aktionäre, die uns ihre Stimmrechte übertragen, in der Hauptversammlung stimmen immer viele für unsere Gegenanträge. Gleichzeitig gibt es aber auch viele, vor allem ehemalige Bayer-Mitarbeiter, die sich dann leider selbst angegriffen fühlen. Dabei gehen unsere Vorwürfe gar nicht gegen die Aktionäre, sondern gegen die Unternehmensleitung.

Aber auch von Betriebsräten und Gewerkschaftsvertretern werden Sie kritisiert.

In der Hauptversammlung gibt es immer ein Betriebsratsmitglied, das gegen uns spricht – quasi als Kettenhund der Werksleitung. Sonst arbeiten wir durchaus mit Mitarbeitern und Gewerkschaftern zusammen. Das Problem ist, dass die Belegschaft stark unter Druck gesetzt wird, nicht mit Kritikern von außerhalb zu kooperieren – das geht bis hin zu Abmahnungen und Schmutzkampagnen gegen einzelne Personen. Offizielle Kontakte zur Chemie-Gewerkschaft gibt es nicht. Deren Leitung ist meist auf Unternehmenslinie.

Eine Mehrheit werden Sie auf der Hauptversammlung aber kaum bekommen. Die wichtigsten Aktionäre sind ja nicht die vielen Kleinaktionäre.

Uns geht es darum, unsere Kritik an der Geschäftspolitik öffentlich zu machen. Das ist natürlich eine symbolische Aktion. Das Sagen bei Bayer haben ungefähr 50 Banken, Versicherungen und Investmentfonds, die 80 bis 90 Prozent der Stimmanteile halten. Größter Einzelaktionär ist mit fünf Prozent die Allianz.

Lohnt sich dann der Aufwand? Sie könnten Ihre Kritik einfach ins Internet stellen.

Wir können dadurch öffentlichen Druck ausüben. Dort sind 7.000 Aktionäre. Uns erreichen täglich Anfragen, auch aus dem Ausland. Es gibt viele Fälle, wo Bayer sich auch bewegt. Gegen Kinderarbeit bei Zulieferern ist Bayer sehr aktiv geworden. Nicht genug, aber immerhin. Und natürlich nicht aus moralischem Antrieb, sondern wegen des öffentlichen Drucks. Den machen wir auch mit Aktionen auf der Hauptversammlung. Unsere Kritik kursiert dadurch weltweit.

Die Flugblätter, die sie vor der Hauptversammlung verteilen, lässt Bayer am Eingang wieder einsammeln.

So eine Hauptversammlung ist natürlich kein demokratisches Forum. Die meisten unserer Fragen werden gar nicht beantwortet. Die Versammlungsleitung macht der Aufsichtsratsvorsitzende, der schon im Vorfeld viele Kritikpunkte als unsachlich oder ungerechtfertigt abkanzelt. Wir lassen uns davon aber nicht entmutigen. Wer sein Flugblatt in die Tasche steckt, kann es auch mit reinnehmen. Außerdem kursieren unser Flugblätter auch drinnen und wir sind dort präsent. Viele kommen dann auf uns zu und übertragen uns ihre Stimmrechte.

INTERVIEW: DIRK ECKERT