DAS BUNDESVERFASSUNGSGERICHT UND DER STREIT UM 8.-MAI-DEMOS
: Kein Lohn für Unruhen

Der 8. Mai rückt näher und die rechten Demos gegen die „Befreiungslüge“ nehmen zu. Gerade mit Blick auf solche Demonstrationen wurde im März das Versammlungsgesetz und das Strafgesetzbuch verschärft. Doch die von der Politik geweckten Erwartungen, nun könnten geschichtsrevisionistische Demonstrationen leichter als bisher verboten werden, waren falsch. Das zeigt schon der erste Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nach der Gesetzesverschärfung. Ein Demoverbot in Mecklenburg-Vorpommern, das sich ausdrücklich auf die neue Rechtslage stützte, wurde aufgehoben.

Solche Interventionen aus Karlsruhe waren absehbar. Denn ein Gesetz, das das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit auch für verhasste Minderheiten wahrt, wird immer Lücken aufweisen, die auch Neonazis nutzen können. Wer das verhindern will, müsste das Versammlungsrecht so verstümmeln, dass Karlsruhe erst recht zum Eingreifen gezwungen wäre.

Dennoch wirft auch die Karlsruher Entscheidung Fragen auf. Denn die Verfassungsrichter lassen offen, ob die Äußerung, der 8. Mai sei ein „Tag des Elends, der Qual und der Trauer“, noch unter die Meinungsfreiheit fällt oder bereits als Billigung von NS-Verbrechen strafbar ist.

Natürlich wird der Zusammenbruch des Dritten Reiches heute zu Recht als „Tag der Befreiung“ gefeiert. Aber es kann nicht angehen, dass alle, die das nicht so sehen und sagen, mit einem Bein wegen Volksverhetzung im Gefängnis stehen. Das Strafrecht ist kein gutes Mittel, um ein korrektes Geschichtsbild durchzusetzen. Dazu hätte man gerne aus Karlsruhe etwas gehört.

Stattdessen konzentrieren sich die Richter auf den fehlenden Nachweis, die Demo hätte den „öffentlichen Frieden“ gestört. Der öffentliche Friede ist allerdings sehr leicht manipulierbar. Wenn sich die richtigen Menschen im richtigen Moment empören, dann wird ein Verhalten plötzlich strafbar, das vorher nicht strafbar war. Es kann doch nicht sein, dass es im Meinungskampf eine Prämie dafür gibt, dass Unruhen ausbrechen. Insofern bedarf auch der Volksverhetzungsparagraf noch einer einschränkenden Auslegung des Verfassungsgerichts. CHRISTIAN RATH