piwik no script img

Punk-Musik auf Polizei-Index

Mit einem Eingriff in das Grundrecht auf Kunstfreiheit versucht die Polizei, Punks vom Ottenser Straßenfest fernzuhalten. Offiziell schiebt die Polizei dem Bezirksamt den schwarzen Peter zu. Verfassungsrechtler Ulrich Karpen: „Unzulässige Zensur“

VON KAI VON APPEN

Die Hamburger Polizei greift das Grundrecht auf Kunstfreiheit an. Über das Bezirksamt Altona lässt die Ordnungsmacht den Auftritt der sich selbst als Punk-Band bezeichnenden Hamburger Gruppe „Left Jab“ sowie das Abspielen jedweder Punk-Musik beim Straßenfest zum Erhalt des Bismarckbades am heutigen Sonnabend verbieten. „Das ist eine unzulässige Zensur einer bestimmten Art von Kunst“, kritisiert Verfassungsrechtler Ulrich Karpen, Direktor der „Forschungsstelle für Kulturverfassungs- und Verwaltungsrecht“ der Uni Hamburg, den Grundrechtseingriff.

Die Bürgerinitiative „Unser Bismarckbad bleibt!“ möchte mit dem Straßenfest ab 14 Uhr in der Ottenser Hauptstraße den breiten Protest gegen die geplante Schließung des Bäderland-Bades am Bahnhof Altona zum Ausdruck bringen. Es beteiligt sich daher ein breites Spektrum an der Veranstaltung. Theateraufführungen sind vorgesehen, Kirchen- und Gospel-Chöre werden singen, Folkloregruppen und Rockbands sollen musizieren. „Die Gruppe ‚Left Jab‘ arbeitet bei uns in der Ini mit, da sie aus Ottensen kommt,“ sagt Veranstalter Robert Jarowoy. „Die Gruppe hatte uns sogar angeboten, ihre Anlage zur Verfügung zu stellen.“

Am Donnerstag flatterte Jarowoy plötzlich eine „Erlaubnis-Änderung“ des Bezirksamtes Altona, das das Straßenfest am 30. März noch erlaubt hatte, ins Haus. Darin heißt es, dass „das Auftreten von Punk-Bands oder das Abspielen derer Musik ausdrücklich untersagt“ werde, andernfalls die ganze „Veranstaltung zu beenden“ sei.

Als Jarowoy nachfragte, wie denn Punk-Musik überhaupt zu definieren sei, wurde er an die örtliche Polizeiwache in der Mörkenstraße verwiesen. Doch auch dort hörte er vom „Punkerexperten“ des Reviers nur Diffuses: „Left Jab“ bezeichne sich nun mal selbst als Punk-Band, und im Internet habe ein „Günni“ aufgerufen, zum Fest zu kommen, da es „coole Live-Mukke“ gäbe. Und da Punk-Musik nun auch Punk-Publikum anziehe, stellt sie nach Ansicht der Polizei „eine erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar“.

Offiziell schiebt die Polizei den schwarzen Peter dem Bezirksamt zu: „Wir haben zwar Bedenken geäußert“, sagt Polizeisprecherin Christiane Leven, „wir haben aber keinen Druck ausgeübt, die Entscheidung hat das Bezirksamt getroffen.“ Das ist formal wohl auch richtig. Hinter vorgehaltener Hand ist jedoch aus Polizeikreisen anderes zu erfahren: Hätte das Bezirksamt anders entschieden oder hätten die Veranstalter den Auftritt durch eine einstweilige Verfügung vor dem Verwaltungsgericht durchgesetzt – was aus zeitlichen Gründen gestern nicht mehr möglich war – hätte die Polizei dem Straßenfest wegen angeblicher Lärmbelästigung heute den Saft abgedreht.

Für Jarowoy birgt indes die Verfügung des Bezirksamtes das eigentliche Konfliktpotenzial. „Die Punks könnten sauer sein, dass die Gruppe nicht auftritt“, befürchtet er, „und es tritt auch die Rockband ‚Little Fynn‘ auf: Wer sagt mir denn, dass nicht irgendein durchgeknallter Einsatzleiter dies für Punk hält?“

Verfassungsrechtler Karpen, als langjähriger CDU-Bürgerschaftsabgeordneter des Punk eher unverdächtig, sieht es grundsätzlicher. Für ihn sind Sanktionen nur zulässig, wenn von der Gruppe durch ihre Texte zu „verfassungsfeindlichen und strafrechtlich relevanten Taten“ aufgerufen werde. Dann dürfe aber auch nur der Auftritt dieser Band untersagt werden, nicht aber die gesamte Kulturveranstaltung. Dass die Gruppe „aggressive, laute und aufrüttelnde Musik“ spiele, sei aber kein Grund für einen Eingriff in die Kunstfreiheit. „Das ist die Ausdrucksform dieser Art von Kunst“, findet Karpen: „Das Provokative ist ja gerade ein wesentliches Merkmal von Kunst.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen