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Archiv-Artikel

Den Krieg ins Mark treffen

Menschenfreund mit linker Gesinnung: Fotos von Robert Capa alias Endre Friedmann, der mit 17 das faschistische Ungarn verlassen musste, sind im Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen

von Karin Liebe

Der Mann war schon zu Lebzeiten eine Legende. Gerade mal 23 Jahre alt, galt Robert Capa im Jahr 1936 als bekanntester Kriegsfotograf der Welt. Mit seiner Schwarzweißaufnahme eines während des spanischen Bürgerkriegs tödlich getroffenen Kämpfers wurde der junge Mann damals schlagartig berühmt. Dabei hatte Endre Friedmann, so hieß der in Ungarn geborene Fotograf eigentlich, bis dahin keine Abnehmer für seine Kriegsfotos gefunden, sodass er sich kurzerhand als Robert Capa, berühmter amerikanischer Fotograf, ausgab – zu dem er prompt auch wurde.

Natürlich fehlt auch das Foto vom fallenden Soldaten nicht in der Schau „Robert Capa. Magnum – Faces of History“, die jetzt im Rahmen der 3. Triennale der Photographie im Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen ist. Es bleibt zeitlebens Capas berühmtestes Foto – aber auch sein umstrittenstes. Denn lange blieb ungeklärt, ob die Szene vom sterbenden Kämpfer, der sein Gewehr mit weit ausgebreiteten Armen fallen lässt, echt sei oder nicht.

Den „Beweis“ dafür, dass das Foto authentisch ist, tritt das Museum für Kunst und Gewerbe mit einer Broschüre an, die im Flurbereich ausliegt, dem Herzstück der 181 Fotos umfassenden Ausstellung. Dort sind Capas Fotos aus dem spanischen Bürgerkrieg versammelt, die seinen Ruhm begründeten, ergänzt durch Originaldokumente aus der Sammlung Christof Kugler. Auch drei Kriegsfilme werden in Ausschnitten gezeigt; sie erzählen vom spanischen Bürgerkrieg (Wem die Stunde schlägt, Fünf Patronenhülsen) sowie von der Landung der Alliierten in der Normandie (Der Soldat Private Ryan). Eine fragwürdige Zusammenstellung ohne großen Erkenntnisgewinn.

Doch während man bei den Filmen immerhin interessante Parallelen zu den Kriegsfotos entdecken kann – Ernest Hemingways Roman Wem die Stunde schlägt wurde von Capas Erzählungen aus dem spanischen Bürgerkrieg beeinflusst –, bleiben die farbigen Plakate Fremdkörper in dieser Ausstellung. Übergangslos und ohne Erläuterung hängen sie neben Capas Schwarzweißfotos; ein künstlerischer Zusammenhang ist nicht erkennbar.

In den Kabinetten kann man sich dann ganz auf die Bildwelt Capas konzentrieren: Im ersten Raum hängen dicht an dicht Porträtfotos von prominenten Zeitgenossen und Freunden wie Ingrid Bergmann, Pablo Picasso oder Cary Grant. Einige dieser Aufnahmen sind Ikonen geworden: Picasso, der am Strand schützend einen Sonnenschirm über seine Frau Françoise Gilot hält. Ernest Hemingway, mit seinem kleinen Sohn in Holzfällermontur am See sitzend, zwei Gewehre an den Baumstamm gelehnt. Ein Foto von Ruth Orkin wiederum zeigt Robert Capa verschmitzt lächelnd in einem Pariser Café.

Dass er ein Menschenfotograf war, ein Kommunikator, dem sich leicht die Herzen und die Gesichter öffneten, das strahlt dieser gut aussehende Mann sofort aus. Und wer weiter durch die Räume der Hamburger Ausstellung schlendert, sieht diesen Eindruck überall bestätigt. Selbst die Soldaten blicken entspannt in die Kamera.

Dass der Menschenfreund und Charmeur Capa aber ausgerechnet den Krieg zu seinem Hauptthema gemacht und fünf Kriege auf drei Kontinenten dokumentiert hat, erschließt sich nicht sofort. Entscheidend war wohl Capas linke politische Gesinnung, die ihn nicht nur dazu zwang, als 17-jähriger das faschistische Ungarn zu verlassen, sondern sich auch im spanischen Bürgerkrieg zu engagieren.

Capa ist es wie keinem anderen Fotografen vor ihm gelungen, dem Krieg ein menschliches Gesicht zu geben. Neben militärischen Ereignissen wie der Invasion der Alliierten in der Normandie und der Befreiung Frankreichs durch die US-Truppen hat sich Robert Capa immer auch für den Alltag der Zivilbevölkerung interessiert. Er zeigt, zum Beispiel wie eine verhärmt blickende Frau in Kittelschürze Gemüse am Küchentisch schnippelt, während über ihr die Wäsche zum Trocknen baumelt.

Auf einem seiner letzten Fotos, 1954 in Vietnam während des Indochina-Kriegs aufgenommen, liegt ein totes Kind auf einer Landstraße, am Straßenrand steht ein vietnamesischer Soldat, der die Leiche zu bewachen scheint. Kurze Zeit später starb auch Capa, der Menschenfreund, als er auf eine Mine trat.

Di–So 10–18, Do bis 21 Uhr; Museum für Kunst und Gewerbe; bis 31. 7.