: Polen, ganz schlicht
Polen als Summe von Papst und Katzenschicksal: Bei den europäischen Theater-Tagen wurde Tomasz Urbanskis „Das Dunkel im Glas“ uraufgeführt
Bremen taz ■ Auf der Bühne ragt ein riesiger Papp-Papst hinter Styropor-Platten hervor – es ist noch der polnische –, vorne hängt die polnische Nationalflagge am Mast und aus dem Off fragt die Stimme eines Quiz-Moderators: „Wie ist Jesus ums Leben gekommen? A: am Kreuz, B: auf der Kreuzung, C: an Kreuzschmerzen.“ Wer glaubt, der Anfang eines Stückes sei symptomatisch für den weiteren Verlauf, findet sich bei Tomasz Urbanskis „Das Dunkel im Glas“, das am Samstag in der Concordia uraufgeführt wurde, bestätigt.
Ein Stück, das positiv formuliert mit Klischees der polnischen Identität spielt. Negativ formuliert ist das nach einer halben Stunde eine ziemlich dröge Angelegenheit. Gezeigt wird eine polnische Familie, die so sehr aneinander vorbeilebt, dass niemand merkt, dass der Sohn zum Drogendealer geworden ist. Der gerade mal 28-jährige Urbanski setzt in seinem Erstlingsstück auf groteske Überzeichnung: Der Sohn Jurek (Fritz Fenne) versucht mit immer drastischeren Mitteln die Aufmerksamkeit der Eltern zu gewinnen. Doch die sind ausschließlich mit sich und der Orientierung im postkommunistischen Polen beschäftigt. Der Vater (Siegfried W. Maschek) flieht in die Verklärung der polnischen Geschichte, während die tablettenabhängige Mutter (Wiltrud Schreiner) allein an ihrer Katze interessiert ist. An deren Verbleib entzündet sich der Fortgang des Stückes.
Das Ganze kulminiert, als der Sohn behauptet, die Katze dem „Fucking Höllenfürst“ geopfert zu haben und die halb debile Großmutter (Torsten Ranft) für tot erklärt. Doch zu diesem Zeitpunkt hat man das Interesse am Stück schon längst verloren. Dabei sind die Themen, die Urbanski aufwirft, fraglos interessant: Wie verhält sich eine Gesellschaft, in der die im Sozialismus aufgewachsene Elterngeneration alle Hoffnung auf die Kinder projiziert? Was kann Identität stiften, wenn die Streiks der Solidarnosc lange vorüber sind und das Gebet am Mittagstisch zum reinen Schlagabtausch verkommt? Doch bei Urbanski erschöpft sich die Behandlung der Fragen in der Groteske, im Auffinden von Katzenkot und dem Kaltstellen der totgeglaubten Großmutter im Kühlschrank. Die Inszenierung von Michael Talke vermag das nicht aufzufangen und die Schauspieler setzen dieser Eindimensionalität wenig entgegen. Nur Fritz Fenne gibt dem Jurek eine Ambivalenz und einen Grad an Verzweiflung, die dem Stück schmerzlich fehlt.
Friederike Gräff
Nächste Aufführung ist am 3.Mai.