Sendepause: Integration

Ein deutsch-türkisches Fernsehprojekt aus Lünen will das leisten, woran die meisten Mainstream-Medien scheitern: Mediale Integration. Ein Gespräch mit Rainer Geissler

„Viele Türken leben seit dreißig Jahren im Ruhrgebiet und wissen nichts über die Region, nichts über die Politik, nichts über die Wirtschaftsstruktur, nichts über die Kultur- und Freizeitangebote. Düzgün TV will das ändern“, sagt Geschäftsführer Cadgan Düzgün. Düzgün TV startet im Juli mit einem 24-Stunden-Programm. 30 Prozent der Sendezeit sind Nachrichten aus dem Ruhrgebiet, Nordrhein-Westfalen und Deutschland auf türkisch und auf deutsch. Im restlichen Programm wechseln sich Deutschkurse mit türkischer Popmusik ab. Die Redaktion startet mit zehn JournalistInnen, alle haben Migrationshintergrund. „Wir wollen integrieren“, lautet das Gesamtziel.

Ein Fernsehsender von Deutsch-Türken für Deutsch-Türken soll die integrieren, die sich nach dreißig Jahren in der deutschen Gesellschaft fremd fühlen. Kann das funktionieren?

Es ist auf jeden Fall einen Versuch wert. Wissen über regionale Diskussionen und Strukturen integriert. Wenn Journalisten mit Migrationshintergrund dieses Wissen vermitteln, gehen sie auch auf die speziellen Probleme und Hoffnungen ihrer Zielgruppe ein. Das macht deutsches Wissen für Migranten attraktiv und integriert sie langfristig. Zeitschriften, die ein ähnliches Konzept ausprobierten, sind allerdings ziemlich schnell wegen Lesermangel eingestellt worden. Vielleicht klappt Ethno-Fernsehen ja besser.

Eigentlich könnten Einwanderer ja auch die deutschen Nachrichten-Medien für regionales Wissen nutzen.

Deren Nachrichtenauswahl macht sie so unattraktiv für Migranten, dass sie von dieser Zielgruppe nur sehr selten genutzt werden. Das ist natürlich ein gewaltiges Integrationshindernis: Mainstream-Medien haben schließlich ein deutlich größeres Integrationspotential als Ethno-Medien, weil sie viel mehr Menschen erreichen und auch der Mehrheit einen neue Sicht auf die Minderheit vermitteln können.

Was macht die Nachrichten denn so unattraktiv?

Die Sorgen und Probleme von Menschen mit Migrationshintergrund werden selten aufgegriffen, weil Journalisten sie in der Regel gar nicht kennen. Außerdem werden Einwanderer häufig als Kostenfaktor thematisiert. Dass Deutschland Einwanderung braucht, um nicht bald mit zu wenigen arbeitsfähigen Menschen dazustehen, wird dagegen viel seltener berichtet. So bindet man sicherlich keine neuen Zielgruppen.Damit sich das ändert, brauchen wir Journalisten mit Migrationshintergrund in den Redaktionen. Davon gibt es zur Zeit fast überhaupt keine.

Mit einer Migrantenquote?

Nein, Quotierungen sorgen immer gleich für verhärtete Fronten und für ein „Du hast den Job doch nur, weil du Ausländer bist“-Klima in den Redaktionen. Mehr Problembewusstsein reicht völlig aus. Zur Zeit ist der WDR das einzige Medium, das einen Integrationsbeauftragten hat und damit wirbt, Auszubildende mit Migrationshintergrund besonders zu fördern. Ein ziemliches Armutszeugnis.

INTERVIEW: MIRIAM BUNJES

Hinweis: Rainer Geissler, geboren 1939, ist Professor für Soziologie an der Universität Siegen.