: Kalte Krieger werden Waffenbrüder
Zum ersten Mal ziehen amerikanische und russische Truppen gemeinsam in Deutschland ins Manöver. US-Kommandeur freut sich auf die „größte und umfangreichste Bodenübung, die wir seit dem Ende des Kalten Krieges mit den Russen durchführen“
VON GERHARD PIPER
Das Ende des Kalten Krieges hat vieles möglich gemacht. So führen amerikanische und russische Soldaten gelegentlich eine Militärübung zusammen durch. Nun planen sie ihr erstes gemeinsames Manöver in Deutschland. Ende Mai soll auf dem US-Truppenübungsplatz Grafenwöhr in Bayern die Übung „Torgau 2005“ stattfinden.
Die Planungen laufen seit September 2004. Im März besuchte der russische Heereskommandeur Generaloberst Alexei Maslow das US-Hauptquartier in Heidelberg, um letzte Einzelheiten zu besprechen. Voraussichtlich am 23. Mai soll es so weit sein. Dann beginnt die zweiwöchige Stabsrahmenübung, zu der rund 100 Soldaten aus Russland erwartet werden. Stabsoffiziere aus beiden Ländern werden am Computer oder am Sandkasten verschiedene Einsatzszenarien für eine friedenserzwingende Operation durchspielen. Weder die amerikanischen noch die russischen Militärs wollten Einzelheiten zum geplanten Manöverablauf nennen, obwohl solche Geheimhaltung heutzutage überholt erscheint. Der Kommandeur der US-Truppen in Europa, General James Jones, erklärte im Militärausschuss des US-Senats: „‚Torgau‘ 2005 wird die größte und umfangreichste Bodenübung, die wir seit dem Ende des Kalten Krieges mit den Russen durchführen.“
Eine erste Übung „Torgau 2004“ fand bereits im Mai letzten Jahres an der Panzerakademie Malinowski bei Moskau statt. Eine Außenstelle der Übungszentrale wurde beim amerikanischen Combat Maneuver Training Center im bayerischen Hohenfels eingerichtet. Neben 100 russischen Offizieren nahmen auch rund 60 US-Soldaten vom 7th Army Training Command aus Grafenwöhr und dem Stab der Southern European Task Force (Setaf) aus dem italienischen Vicenza an der Übung in Russland teil. Im Gegenzug wurden mehrere russische Offiziere nach Hohenfels verlegt.
Unter dem Kommando des russischen Übungsleiters Generalleutnant Alexei Potapow wurde ein gemeinsamer UN-Einsatz zur Friedenssicherung und Terroristenbekämpfung in einem Drittland durchgespielt. Zur Streitschlichtung entsandte die UNO laut Drehbuch eine Combined Task Force aus zwei amerikanischen und einer russischen Brigade. „Durch die enge Zusammenarbeit während der sechs Übungstage erhielten wir aus erster Hand Erkenntnisse darüber, wie sich unsere Stäbe gegenseitig ergänzen. Es gibt Unterschiede darin, wie wir Operation durchführen, aber es gibt auch viele Gemeinsamkeiten“, erklärte der US-Oberst Blair Ross. In der Praxis haben Amerikaner und Russen erst in Bosnien und dem Kosovo bei UN-Einsätzen zusammengearbeitet.
Es stellt sich die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage russische Soldaten gänzlich ohne Beteiligung der Bundeswehr Militärübungen auf dem Boden der Bundesrepublik abhalten können. Weil die Torgau-Übungen im Rahmen des Nato-Programmes „Partnerschaft für den Frieden“ (PfP) stattfinden, gilt hier das PfP-Truppenstatut von 1995, dem der Bundestag 1998 zugestimmt hat, wie Hauptmann Christian Deppe vom Streitkräfteamt im Bonn mitteilte. Demnach sind die russischen Truppen bei Partnerschafts-Übungen so zu behandeln, als wären es Nato-Einheiten.
Mit dem Namen „Torgau“ soll an den 25. April 1945 erinnert werden. Damals kam es auf einer Elbbrücke bei der sächsischen Festungsstadt Torgau zum ersten Zusammentreffen zwischen vier GIs und mehreren sowjetischen Soldaten. Mit einem Händedruck zwischen den beiden Siegermächten der Anti-Hitler-Koalition wurde das Ende des Dritten Reiches besiegelt.