: Noch Neues für den Westen
In dem Reader „Unsere Opfer zählen nicht“ wird endlich die Geschichte der Dritten Welt im Zweiten Weltkrieg erzählt
In den Geschichtsbüchern wurde ihr Schicksal bis dato kaum erzählt: das Leben und Sterben der unzähligen Soldaten, Lastenträger oder Kundschafter aus den damaligen Kolonien, die auf Seiten der alliierten Streitkräfte oder der Achsenmächte – Italien, Japan und Deutschland – in den Krieg zogen. Auch Winston Churchill schrieb in seiner Geschichte des Zweiten Weltkriegs über Indien: „unsere kleine britische Insel hat die Menschen Hindustans auf ihren Schultern durch alle Kämpfe getragen.“
Dabei kämpften 2,5 Millionen Inder auf der Seite der Alliierten an fast allen Kriegsschauplätzen; die Zivilbevölkerung musste unter Entbehrungen die Kriegswirtschaft aufrechterhalten. Diese Geschichten von Kriegseinsatz und Ausbeutung sind wenig im Bewusstsein des Nordens verankert. Staunend wälzt man so die Seiten des gerade erschienenen Buches „Unsere Opfer zählen nicht“. Auf über 400 Seiten zeigen die umfangreichen Recherchen des Rheinischen Journalistenbüros, wie vielfältig „die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ – so der Untertitel des Readers – in die Kriegsgeschehnisse verwickelt war.
Zogen viele Soldaten des Trikonts in den Krieg, weil sie verarmt waren oder zwangsrekrutiert wurden, gingen etliche auch aus Überzeugung an die Front. „Ich kann mich von dem Schicksal nicht lossagen, das meinem Bruder bereitet wird“, schrieb beispielsweise der algerische Intellektuelle Frantz Fanon über den Antisemitismus – und kämpfte mit den Truppen des freien Frankreichs unter de Gaulle. Doch seine Hoffnung, am Ende des Kriegs stände die Freiheit der Kolonien, erfüllte sich nicht. Ein Schicksal, das Fanons Heimat Algerien mit vielen anderen Ländern teilt, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Unabhängigkeit erhofften und bald schon in neue, anti-koloniale Kriege verwickelt waren.
Andere Kolonialsoldaten standen auf der Seite der Achsenmächte, wie beispielsweise die Indische Legion der Deutschen Wehrmacht, die 1944 in die Waffen-SS eingegliedert wurde. Die Legion war durch den indischen Nationalisten Subhas Chandra Bose ins Leben gerufen worden, der es für opportun hielt, im Kampf gegen die britische Kolonialmacht mit den Faschisten zu paktieren. Auch antisemitische Beweggründe führten zur Kollaboration. Etwa beim damaligen Mufti von Jerusalem, Amin Hadj el-Husseini, der 75.000 bis 80.000 Juden und Jüdinnen aus Rumänien auf der Flucht vor dem Holocaust nicht nach Palästina einreisen ließ.
Die Feldzüge der Japaner zu Verbreitung ihrer großasiatischen Ideologie in zahlreichen asiatischen Ländern wiederum führte dort zu Millionen Toten und Verschleppten. Allein 4,5 Millionen Koreaner wurden in den Kriegdienst und die Kriegsproduktion verschleppt. 200.000 Frauen mussten als Zwangsprostituierte für die Japaner arbeiten. Entschädigungen oder Entschuldigungen von der japanischen Regierung gab es bislang nicht. Ähnlich wie Westdeutschland wurde Japan in den neuen Allianzen nach dem Zweiten Weltkrieg von den westlichen Siegermächten als neuer Bündnispartner im Kampf gegen den Kommunismus angesehen und erhielt Förderungen zum Wirtschaftsaufbau. Doro Wiese
„Unsere Opfer zählen nicht“ Assoziation A, 29,50 Euro. Das Buch wird am Samstag, 7. Mai, auf dem BUKO-Kongress in Hamburg, Unigelände, Von-Melle-Park 6, 20 Uhr, vorgestellt