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Archiv-Artikel

„Ich will es nicht sehen“

Vortrag Ein Psychoanalytiker spricht über destruktive Kunst in seinem Wohnzimmer

Von eib
Hartmut Kraft

■ 62, ist Arzt für Nervenheilkunde und Psychotherapeutische Medizin. Er publiziert zu Medizin, Psychoanalyse, Kunst und Ethnologie.

taz: Sie sprechen über destruktive Phantasien in der Kunst – haben Sie ein Beispiel?

Hartmut Kraft: Ja, ich bringe eine Skulptur aus unserer Sammlung mit, ein Kunstwerk, das extrem dazu einlädt, sich zu fragen, wie kommt der Künstler dazu, welche destruktiven Phantasien hat er. Das wollte ich damals vor 40 Jahren auch von ihm wissen und er hat sich dazu nicht geäußert. Ich spreche heute deshalb auch nicht darüber, „was will der Künstler uns damit sagen“, sondern über die Reaktionen der Betrachter.

Und die sind heftig?

Ja. Als wir es in den 70ern in einer Ausstellung zum ersten Mal gesehen haben, wollten wir danach eigentlich essen gehen. Das ging dann nicht mehr.

Was zeigt die Skulptur?

Das sage ich vorher nicht.

Reagieren Frauen anders als Männer auf sie?

Statistisch kann ich dazu nichts sagen, aber wegen des Themas ist es möglich, dass sie heftiger reagieren, ja.

Und Sie wollten es unbedingt haben?

Ja, es hat mich sehr bewegt.

Heute auch noch?

Es hat an Intensität nicht nachgelassen, was ein Qualitätsmerkmal ist. Es belastet mich heute sogar mehr als früher. Ich glaube nicht, dass ich es heute noch kaufen würde.

Aber es steht bei Ihnen im Wohnzimmer?

An einer schwer einsehbaren Stelle. Ich muss es nicht immer vor Augen haben.

Finden sich solche extrem destruktiven Phantasien oft in der Kunst ausgedrückt?

Ja, sie gehören zum Menschsein dazu. Eine der Formen des Umgangs mit ihnen ist, ihnen eine Gestalt zu geben – oder durch einen Künstler geben zu lassen. Dann stehen sie außerhalb meiner Selbst, ich habe ein Gegenüber. Das ich auch wegstellen kann. Interview: eib

20.30 Uhr im Haus der Wissenschaft, Sandstraße 4; Eintritt für Nicht-Mitglieder der Arbeitsgruppe für Psychoanalyse und Psychotherapie: € 12 (ermäßigt € 8)