Keine Renaissance für Hameln

ERMITTLUNGEN Statt Besuchern lockt die Erlebniswelt Renaissance die Staatsanwaltschaft in die Rattenfängerstadt: Acht Millionen Fördergeld sind irgendwie verschütt gegangen

VON BENNO SCHIRRMEISTER

Es ist nicht so, dass das Weserbergland jetzt gelöscht wäre von der Karte der niedersächsischen Fremdenverkehrs-Destinationen. Im Gegenteil. Zwischen 2005 und 2008 verzeichneten die Statistiker ein Plus von fast 100.000 Gästen. Das sind satte zehn Prozent.

Auch die Stätten der Weserrenaissance, die Martinikirche in Stadthagen, das Fürstenschloss zu Bückeburg, die Rintelner Altstadt – alles noch da. Bloß ins Hochzeitshaus in Hameln, der zentralen Attraktion des Tourismusprojekts „Erlebniswelt Renaissance“ (EWR), kommen seit der Insolvenz Ende 2007 keine Besucher mehr – außer den Ermittlern der Staatsanwaltschaft oder den Kassenprüfern der NBank, die Niedersachsens Subventionen ausreicht und die Verwendung kontrolliert.

Die NBank hat soeben ihren nicht öffentlichen Abschlussbericht zur EWR fertig gestellt. Dass insgesamt acht Millionen Euro zweckentfremdet wurden „kann ich nicht dementieren“, sagt NBank-Sprecher Jörg Wieters. „Es ist aber auch möglich, dass wir uns verrechnet haben“.

Das EWR-Projekt, 2002 von Wirtschaftsministerin Susanne Knorre (SPD) angeschoben und von ihrem Nachfolger Walter Hirche (FDP) schöngeredet, hat 14,1 Millionen Euro gekostet, von denen EU, Bund und Land 9,8 schulterten. Es sollte die Zeit von Humanismus und Reformation in sechs Städten mit gps-gesteuerten Audio-Guides erschließen.

An manchen Orten funktioniert das, im Schloss Bevern etwa, wo die historische Bausubstanz sichtbar blieb, aber das Interieur zerstört wurde: „Im 19. Jahrhundert war das eine Correktionsanstalt“, erzählt Cornelia Löhr vom dortigen Kulturzentrum, „da wurde aller Prunk entfernt“. Früher „konnten wir hier gar keine Führungen anbieten“, sagt sie. Seit dem Start des EWR-Projekts schon, weshalb der Landkreis Holzminden plant, seinen Teil des Programms aus der EWR-GmbH herauszulösen und weiter zu betreiben.

Anders in Hameln. Ins dortige EWR Zentralobjekt wurde mit 6,5 Millionen Euro das meiste Geld gepumpt. Man entkernte den um 1610 errichteten Sandsteinbau, um ihn mit zwei auf Stahlträger gelagerten Geschossen und vielen Multimedia-Apparaten neu zu befüllen. Die Besucher sollten vor Leinwänden mit Comic-Figuren und an lila leuchtenden Stelen didaktischen Hörspielen lauschen. Das Komplettprogramm hätte siebeneinhalb Stunden gedauert. Anfänglich hatten gefällige Gutachter bis zu 400.000 Gäste jährlich prophezeit. Im Jahr 2007 kamen keine 10.000.

Was nun mit dem Multimedia-Interieur werden soll, ist offen. In Hameln hoffen Landrat und Bürgermeisterin auf ein Einlenken des Wirtschaftsministeriums, um das Denkmal wieder öffnen zu können. In Hannover hofft Wirtschaftsminister Philipp Roesler (FDP), von den Fördergeldern wenigstens etwas wieder zu bekommen – die wohl nach Brüssel zurück zu überweisen sind. Eine Renaissance des Projekts mit frischem Staatsgeld schließt er aus. Bei einem Gespräch am 14. August sollen beide Seiten versuchen, sich auf ein weiteres Vorgehen zu einigen.