FDP will großen Wurf

AUS KÖLN BETTINA GAUS

80,1 Prozent der 662 Delegierten des FDP-Parteitags in Köln wollen Guido Westerwelle auch künftig als Parteivorsitzenden sehen. Dieses Ergebnis der gestrigen Wahl ist für eine Abstimmung ohne Gegenkandidaten zwar nicht strahlend, aber doch respektabel – und entsprach fast punktgenau der Zielvorgabe, die ein anderer FDP-Spitzenpolitiker vor einigen Tagen öffentlich verkündet hatte. 80 Prozent der Stimmen sollte Westerwelle bei seiner Wiederwahl zum Parteivorsitzenden schon bekommen, meinte FDP-Vize Andreas Pinkwart vor einigen Tagen. Damit hatte er die Latte für eine Abstimmung ohne Gegenkandidaten zwar nicht besonders hoch gehängt – aber eben doch aufgehängt. Er selbst wurde in seinem Amt mit nur 76,6 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Rainer Brüderle bekam 81,0 Prozent. Mit bitteren 60,5 Prozent musste sich die dritte Stellvertreterin, die scheidende Generalsekretärin Cornelia Pieper zufrieden geben.

Das kann auch als indirekte Ohrfeige für Westerwelle gewertet werden, der intern durchaus nicht unumstritten ist und dessen Gewerkschaftsschelte ihm noch in den letzten Tagen öffentliche Kritik von Parteifreunden und von Unionspolitikern eingetragen hatte. Der FDP-Vorsitzende gab sich dennoch kämpferisch. „Sie haben einen lebensbejahenden, optimistischen, fröhlichen Rheinländer gewählt,“ rief er den Delegierten des Parteitags in Köln zu. „Wenn Sie mich wiederwählen, kriegen Sie genau den auch wieder!“ Westerwelle bemühte sich, sein Image als „Spaßpolitiker“ abzustreifen und zugleich seine Auftritte der Vergangenheit zu rechtfertigen: „Ich kann diese Menschen nicht ertragen, die meinen, ernsthaft ist nur, wer wie ein Trauerkloß herumläuft.“

Auch in anderer Hinsicht blieb Guido Westerwelle sich treu. In den nächsten Bundestagswahlkampf möchte er zwar nicht mehr als Kanzlerkandidat ziehen, und er legte sich auch nicht auf eine Prozentzahl fest, die seine Partei 2006 erreichen soll. Aber er wollte doch die Delegierten davon überzeugen, dass die FDP eine völlig eigenständige Partei ist, die Kritik an der Union nicht scheut und nach den Wahlen bestimmenden Einfluss nehmen kann.

„Es ist der große Wurf fällig und nicht die Fortsetzung von Trippelschritten“, sagte der FDP-Vorsitzende. Ihn treibe die Sorge um, dass eine neue Bundesregierung das vergessen könne, und er beobachte auch mit Sorge, dass die „Unionsparteien so in der Deckung bleiben“. Die FDP dürfe sich in den Koalitionsverhandlungen nicht damit zufrieden geben, dass dieses „Klein-Klein“ fortgesetzt werde. Das Publikum spendete der Vision von einer mächtigen FDP begeisterten Applaus. Zunächst wollen die Liberalen gemeinsam mit der CDU die rot-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen ablösen. Diesem Ziel hofft Westerwelle mit besonders scharfer Kritik an den Grünen näher zu kommen. Nur die „sehr Reichen“ könnten sich deren Politik leisten. Grüne trieben die Steuern in die Höhe, vernichteten Arbeitsplätze und betrieben mit öffentlich geförderten Seminaren „grüne Kumpanei“ zur Bedienung der eigenen Klientel.

Obwohl die FDP-Spitze behauptet, den Kampf um Bürgerrechte wieder mehr in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen zu wollen, lag der Schwerpunkt der Parteitagsrede von Guido Westerwelle auf dem Gebiet der Ökonomie. Er erneuerte seine umstrittene Kritik an den Gewerkschaften, deren Führungsspitzen er als „funktionärische Kaste“ bezeichnete.

Westerwelle verurteilte die Eingriffe der Gewerkschaften in die unternehmerische Freiheit und warf der SPD vor, mit ihrer Kapitalismuskritik mögliche Investoren aus Deutschland zu vertreiben. „Wer Deutschland für kapitalistisch hält, der hält Kuba auch für demokratisch.“ Es gebe hierzulande ein Übermaß an staatlicher Bevormundung und Kontrolle. „Wir wollen einen starken Staat als Liberale, aber stark ist aus unserer Sicht der Staat, der sich auf seine Kernaufgaben konzentriert.“