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Archiv-Artikel

Auf diese Zahlen können Sie bauen

ANALYSEN Regelmäßig erscheinen neue Studien über den Berliner Wohnungsmarkt. Die wenigsten sind neutral gehalten. Welche Untersuchungen nützen Investoren – und welche den Mietern? Ein Überblick von JULIANE SCHUMACHER und MORITZ WICHMANN

Wenn der Druck steigt: Beispiel Neukölln

■ Diese Grafik verdeutlicht am Beispiel Neuköllns, wie der Wohnungsmarkt in zentrumsnahen Stadtteilen heißläuft. Indikator ist die vom Wohnmarktreport der GSW ermittelte Wohnkostenquote. Im Prinzip stellt sie dar, welchen Anteil des Haushaltseinkommens die Warmmiete auffrisst. Hoch ist die Wohnkostenquote für Mieter, die wenig verdienen oder deren Wohnung besonders teuer ist. Oder beides.

■ Für diese Darstellung wurde jedoch nicht die tatsächlich entrichtete Miete zugrunde gelegt, sondern die Angebotsmiete – also der Mietpreis von Wohnungen, die aktuell zur Vermietung angeboten werden.

■ Die Quote zeigt also, wie teuer den durchschnittlichen Mieter ein Umzug im eigenen Kiez zu stehen käme. Ein Bewohner des populären Kreuzkölln, also der nördlichsten Spitze Neuköllns, müsste fast ein Drittel seines Einkommens fürs Wohnen aufwenden – dagegen käme ein Haushalt im nordöstlichen Rudow mit einem Fünftel hin. Dieser Ortsteil ist laut GSW sogar der mit der niedrigsten Wohnkostenquote in ganz Berlin (19,1 Prozent).

■ Das könnte sich freilich in naher Zukunft ändern: Wenn der neue Großflughafen in Schönefeld im Juni 2012 in Betrieb geht, dürften Wohnungen in den nahe gelegenen Quartieren deutlich stärker nachgefragt werden.

■ Natürlich handelt es sich um durchschnittliche Angaben. Auch in Neukölln, so der GSW-WohnmarktReport, gibt es Nischen für die Bezieher kleiner Einkommen. In Quartieren wie den Straßen rund ums Kreuzköllner Maybachufer sind sie allerdings schon reichlich selten.

■ Eine Darstellung von Friedrichshain-Kreuzberg wäre grafisch übrigens wenig abwechslungsreich gewesen: Bis auf das Quartier nördlich des U-Bahnhofs Prinzenstraße hätte man den gesamten Bezirk dunkelrot abbilden müssen. (clp)

DER MIETSPIEGEL DES SENATS

Wann: Der Mietspiegel Berlin wird seit 1987 alle zwei Jahre erstellt, zuletzt erschien er 2011. Zu einem Stichtag (2011: 1. September) werden die gezahlten Mieten erfasst.

Was: Die Daten beruhten zuletzt auf 9.300 Datensätzen von Mietern und Vermietern. Erhoben werden neben der gezahlten Kaltmiete die Art des Gebäudes, der Zustand, die Größe und Ausstattung der Wohnung sowie die Qualität der Lage. Der Mietspiegel soll die „ortsübliche Vergleichsmiete“ wiedergeben.

Wie: Bis 1992 wurde im Mietspiegel der Median der erhobenen Daten angegeben, das heißt bei 100 Werten der 50. Wert. Die Vermieter forderten die Umstellung auf das arithmetische Mittel, da dieses Erhöhungen stärker abbildet und so weitere Erhöhung ermöglicht. Seit 1994 wird ein Mittelwert aus Median und arithmetischem Mittel verwendet.

Wer: Verantwortlich für die Erstellung des Mietspiegels ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Sie erstellt ihn zusammen mit Mieter- und Eigentümerverbänden sowie verschiedenen Sachverständigen. Die Datenerhebung und -auswertung führt das private Hamburger Immobilieninstitut F+B Forschung und Beratung durch, das Studien für Banken, Immobilienunternehmen und öffentliche Verwaltung erstellt.

Warum: Mietspiegel wurden in den 1970er Jahren eingeführt, sie sollten einen Mittelweg zwischen der bis in die 60er Jahre in Westdeutschland üblichen Mietpreisbindung (in Berlin galt sie bis 1988) und einem unregulierten Wohnungsmarkt weisen. Kritiker bemängeln, der Mietspiegel feuere Mieterhöhungen eher an, statt sie zu bremsen, denn er gibt den Rahmen für „erlaubte“ Erhöhungen vor, die die Vermieter häufig nach Erscheinen des Mietspiegels auch durchführen. So erhalten sie den Kreislauf aus Mieterhöhungen, Normalisierung derselben und weiteren Erhöhungen.

DER WOHNUNGSMARKTREPORT DER GSW

Wann: Seit 1997 gibt die inzwischen private Immobiliengesellschaft GSW jedes Frühjahr einen Wohnungsmarktreport heraus. Enthalten ist auch der Wohnkostenatlas mit detaillierter räumlicher Darstellung.

Was: Die GSW wertet alle verfügbaren Angebote für Neuvermietungen aus: 107.000 waren es im Jahr 2011, 136.000 im Jahr zuvor. Bestehende Mietverträge gehen nicht in die Berechnung ein. Erfasst werden Mieten sowie Daten zu Investment und Eigentumswohnungen.

Wie: Bei den Daten handelt es sich um die Mediane, sprich Mittelwerte der erhobenen Daten: bei 100 Werten ist es der 50. Wert.

Wer: Die GSW wurde 1924 gegründet, sie war bis 2004 eine städtische Wohnungsbaugesellschaft. Dann verkaufte der Senat sie für 405 Millionen Euro an ein Konsortium der privaten Finanzinvestoren Goldman Sachs und Cerberus – was eine deutschlandweite Debatte über das Investment internationaler „Heuschrecken“ in Deutschland auslöste. Die GSW besitzt 53.000 Wohneinheiten. Darüber hinaus verwaltet eine Tochtergesellschaft mehr als 17.000 Wohnungen für Dritte. Da sie auch mit Immobilien handelt, umfassen die Analysen der GSW zudem den Immobilienverkauf. An der Ausarbeitung sind private Beratungsfirmen beteiligt, der Bericht 2012 ist zusammen mit CBRE erstellt, einem der weltweit größten Immobiliendienstleister mit Sitz in Los Angeles.

Warum: Als Teil eines großen privaten Immobilienunternehmens hat die GSW Interesse an zuverlässigen Daten über den Immobilienmarkt. Zum anderen versucht sie seit dem Verkauf, ihr Image aufzupolieren – auch der Wohnungsmarktreport für die Allgemeinheit gehört dazu. Damit liefert sie aber auch eine Begründung für eigene Mieterhöhungen: Die Ergebnisse ihrer Studie liegen, da sie nur Angebotsmieten umfassen, weit über dem Mietspiegel.

DAS RESIDENTIAL CITY PROFILE VON JONES LANG LASALLE

Wann: Seit 2008 erstellt Jones Lang LaSalle (JLL) für die acht größten deutschen Städte das Residential City Profile. Der halbjährliche Bericht erscheint jeweils Ende Februar und Ende September.

Was: Der Bericht umfasst das Bevölkerungswachstum, die Entwicklung des Wohnungsbestandes, der Angebotsmieten, der Angebotsmieten in Neubauten, der Preise von Eigentumswohnungen und das Verhalten von Investoren auf dem Immobilienmarkt in Berlin. Für die Analyse der Preisentwicklung im zweiten Halbjahr 2011 wurden 67.200 Angebote für Mietwohnungen und 33.800 Kaufangebote für Eigentumswohnungen aus den Zahlen der IDN Immodatenbank GmbH ausgewertet. Bei den Immobilientransaktionen erfasst JLL die großen, öffentlich bekannten Transaktionen.

Wie: In den Daten werden das arithmetische Mittel und der Median angegeben. Zusätzlich wird bei Mieten und Kaufpreisen auch die „Spanne“ der Angebote, also die höchsten und niedrigsten 10 Prozent und die höchsten und niedrigsten 25 Prozent der Angebote, angegeben. Bei den Mieten und den Kaufpreisen für Eigentumswohnungen wird auch nach Baujahr differenziert.

Wer: Jones Lang LaSalle ist ein Finanz-, Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen im Immobilienbereich. JLL ist auf dem Gebiet Property und Corporate Facility Management Services mit 167 Millionen verwalteten Quadratmetern Wohn- und Bürofläche weltweit führend. Das Unternehmen mit Sitz in Chicago erwirtschaftete im Jahr 2011 einen Umsatz von 3,6 Milliarden Euro.

Warum: Als Consultingunternehmen will JLL seinen Kunden –großen institutionellen Anlegern und Investoren – eine Hilfe bei der Investmententscheidung geben.

DER MARKTMONITOR DES BBU

Wann: Der Marktmonitor des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) erscheint seit 1999 im November.

Was: Der Bericht analysiert die Entwicklung der Einkommen und anderer sozioökonomischer Faktoren, die Investitionen in den Immobilienbestand, die Preisentwicklung bei Wohnungsverkäufen sowie die Entwicklung der Bestands- und Neuvertragsmieten. Für den Marktmonitor 2011 wurden Daten von 600.000 bestehenden Mietverträgen und neuen Mietvertragsabschlüssen für die 667.000 Wohnungen der Mitglieder ausgewertet.

Wie: Seit drei Jahren gibt der Marktmonitor das arithmetische Mittel an.

Wer: Der BBU ist der größte wohnungswirtschaftliche Verband der Hauptstadtregion. Er wurde 1897 als gemeinnütziger Wohnungsverband gegründet. Lange Zeit dominierten im BBU die öffentlichen Wohnungsbauunternehmen. Heute vereint der Verband unter seinem Dach zu je einem Drittel landeseigene, genossenschaftliche und private Wohnungsunternehmen.

Warum: Der BBU vertritt die Interessen der Wohnungsunternehmen gegenüber der Öffentlichkeit und der Politik. Aufgrund der großen Datenbasis und der Berücksichtigung von Bestandsmieten sind die ermittelten Werte niedriger als in anderen Berichten. Dennoch gab es Kritik an der Interpretation etwa vom Mieterverein, da der BBU sich weigerte, von Verdrängung zu reden, und stattdessen von „Suchbewegungen“ sprach.

DER MARKTBERICHT DER INVESTITIONSBANK BERLIN (IBB)

Wann: Der Bericht erscheint seit 2006 immer im Frühjahr.

Was: Der Bericht enthält neben der Schilderung der wirtschaftlichen und politischen Veränderungen in der Stadt eine detaillierte Beschreibung der Wohnungsnachfrage und des Angebots. Dazu gibt es Profile für die Bezirke und ein Schwerpunktthema. Für die Auswertung der Angebotsmieten wurden von Anfang 2010 bis zum dritten Quartal 2011 insgesamt 199.258 Mietangebote aus der Datenbank der IDN Immodaten GmbH ausgewertet.

Wie: Der Bericht verwendet bei der Darstellung der Angebotsmieten den Median. Die Angebotsmieten sind nicht statistisch bereinigt. Bei der Darstellung der Haus- und Wohnungspreise sind die Werte nach dem hedonischen System statistisch bereinigt, das heißt, es werden Schwankungen in Qualität und Lage berücksichtigt.

Wer: Die Investitionsbank Berlin in Zusammenarbeit mit dem privaten Forschungsinstitut Empirica. Ziel der IBB sind die Förderung der Wirtschaft sowie die Finanzierung von Wohnungsbau. Die IBB wurde 2004 als Förderinstitut von der Berliner Landesbank abgespalten. Empirica ist ein unabhängiges wirtschafts- und sozialwissenschaftliches Beratungsunternehmen.

Warum: Die IBB vergibt Kredite an Immobilieninvestoren. Deswegen hat die Bank Interesse an verlässlichen Zahlen über den Wohnungsmarkt, die zeigen, dass Neubau nötig ist. Außerdem fördert sie die energetische Sanierung.