: Der Nasenfilter
SCHNIEFEN Nasenschleim ist wässrig, farblos, dick, gelblich oder grünlich. Er nervt, schützt uns aber vor Bakterien
VON MICHAEL RAMM
Die Tage sind noch kalt genug, um sie zum Laufen zu bringen: die Nase. Kaum tritt man im Winter vor die Tür, geht’s auch schon los mit dem Schnauben und Hochziehen. „Da hängt ’n Popel“ will man genauso wenig hören, wie „Du hast da Schnodder im Schal“. Rotze nervt. Aber das Nasensekret sorgt dafür, dass wir nicht alle naselang krank werden.
In der Luft fliegen unzählige Viren und Bakterien herum, die nur darauf warten, sich auf uns zu stürzen. Beim Einatmen bleibt ein Großteil von ihnen an unserem Nasenschleim hängen. „Man muss sich den Schleim wie ein klebriges Fliegenband vorstellen“, sagt Katharina Ribbeck, Schleimforscherin am MIT, dem Massachusetts Institute of Technology in den USA. „Er sitzt wie ein ‚3-D-Spinnennetz‘ in der Nase und filtert eifrig Schmutz und Bakterien aus der Atemluft.“ Setzen sich viele Schmutzpartikel im Schleim fest, wird er langsam schwerer und dickflüssiger, und dann bildet sich das bei Kindern beliebteste Produkt der Nase: der Popel. Je mehr Staub in der Luft ist, desto schneller geht das. „Das Auffangen allein hilft aber nicht, die Nase muss halt auch ständig geklärt werden“, sagt Katharina Ribbeck.
Holt man sich doch einen Infekt, dann beginnt das große Schniefen und Schneuzen. Der Körper kurbelt die Schleimproduktion an, um erstens die Bakterien oder Viren auszuschwemmen und zweitens den Schutz vor neuen Eindringlingen zu erhöhen. „Das betrifft eigentlich allen Schleim im Körper, nur an der Nase ist es am deutlichsten zu merken“, sagt die Schleimforscherin Ribbeck. Speziell im Winter läuft die Nase auch deswegen, weil die kalte, trockene Luft ein direkter Reiz für die Schleimdrüsen ist. Geht ein Skifahrer aus der warmen Liftgondel in die Kälte raus, läuft ihm erst mal die Nase. Zusätzlich kondensiert noch die warme Atemluft an der kalten Nasenspitze, so als hauche man an eine kalte Fensterscheibe. Das ergibt einen sehr wässerigen, schwer zu bändigenden Schleim.
Also Taschentuch raus und reingeschnieft: Wie sieht er aus, der Rotz? Gesunder Schleim ist relativ wässerig und nahezu farblos. Je nach Art der Erkältung bleibt er farblos (viral) oder wird dick und gelb-grünlich (bakteriell). Raucher haben generell einen eher gelblich verdickten Nasenschleim, der Rauch löst kleine chronische Entzündungen in der Nasenschleimhaut aus und stört den Abtransport des Schleims. Da reicht schon eine Zigarette am Tag. „Man tut der Nase einen großen Gefallen, wenn man sie pflegt und schön feucht hält. Wir untersuchen gerade, wie sehr das Hausmittel Salzspray die Schutzfunktion des Schleims unterstützt“, sagt Katharina Ribbeck.
Unseren Schleim merken wir insbesondere dann, wenn im Winter zu viel da ist und uns die Nase läuft. Aber auch in den wärmeren Jahreszeiten produziert die Nase das filternde Sekret. Außerdem ist der Nasenschleim wichtig für unseren Geruchssinn. Über den Rezeptoren liegt eine Schleimschicht, an der die Geruchsmoleküle kleben bleiben und sich anreichern. Bei einer Erkältung wird der Rezeptorenbereich überschleimt. Die Folge: Wir riechen und schmecken schlecht.
Wohin mit dem Zeug, wenn es zu eng in der Nase wird? Kann der Schleim nicht mehr von allein abfließen, hat der Körper einen hauseigenen Klärungsmechanismus: den Nieser. Damit werden die Atemwege wieder frei gepustet. „Der Niesweltrekord liegt bei einer Geschwindigkeit von 115km/h“, erklärt Katharina Ribbeck. Geniest wird am besten in die Armbeuge und nicht in die Hand, sonst gibt man die Bakterien beim Handschlag an die nächste Person weiter. Umgekehrt können Bakterien beim Popeln von der Hand in die Nase wandern. Wer es trotzdem nicht lassen kann, sollte sich wenigstens ein Taschentuch um den Finger wickeln. Krankhaftes und zwanghaftes Nasebohren heißt übrigens Rhinotillexomanie.
Taschentücher sind nach einmaligem Schneuzen dann auch reif für den Mülleimer. Sonst schmiert man sich die Bakterien, die man gerade ausgeschneuzt hat, später wieder ins Gesicht. Ganz schlimm sind die Modelle aus Stoff. Zwar sind sie wiederverwendbar und besser für die Umwelt, doch ist die warme Hosentasche mit dem vollgeschnupften Stofftaschentuch ein idealer Brutkasten für Bakterien. Die hat man beim nächsten Griff zum Taschentuch dann wieder an den Fingern.
„Hör auf mit dem Hochziehen!“, bekommen Kinder ja oft zu hören. Hartnäckig hält sich der Mythos, dass das Hochziehen, auch „Allergikergruß“ genannt, irgendwie ungesund wäre. Tatsächlich hat der Schleim eine natürliche Fließrichtung zum Rachen, läuft dort hinab und wird heruntergeschluckt. Im Magen werden alle Bakterien durch die Magensäure neutralisiert.
Unser Nasenschleim besteht aus Wasser, Eiweiß- und Zuckermolekülen. Essen deswegen so viele Kinder ihre Popel? „Nein“, sagt die Schleimforscherin Ribbeck, „Nasenschleim ist vom Geschmack her salzig.“ Erwachsene finden Schleim für gewöhnlich widerlich. Dieser Ekel könnte evolutionär als Schutz entstanden sein, schließlich ist der Schleim voll von Bakterien und Viren. Dabei wird der normale wässrige Schleim als weniger eklig empfunden als vereiterter, dicker Schleim – dieser signalisiert Entzündung.
„Bis zu viermal am Tag niesen und schnauben ist auch für einen gesunden Menschen normal“, sagt Michael Damm, Oberarzt an der Kölner Uniklinik. Stark betroffene Patienten niesen und schnauben bis zu hundertmal am Tag. Das ist nicht nur körperlich anstrengend, sondern beeinträchtigt auch das Alltagsleben empfindlich. Man stelle sich nur mal das ständige Niesen in Bahn, Büro oder bei einer Besprechung vor.
Schleim. Sieht eklig aus, ist aber praktisch. Er filtert, befeuchtet und hilft beim Riechen. Er ist unser schnodderiger Beschützer vor Viren und Bakterien – und trotzdem sind wir im Alltag einfach froh, wenn wir ihn wieder los sind.