: Imperium ist zurück
Justine Henin-Hardenne gewinnt in Berlin und ist mit Kim Clijsters dabei, die vormalige belgische Dominanz im Frauentennis erneut zu etablieren
AUS BERLIN MATTI LIESKE
Die Worte von Justine Henin-Hardenne beim Turnier in Berlin verhießen der Konkurrenz nichts Gutes für den weiteren Verlauf des Jahres: „Ich bin wieder auf einem guten Weg, mein bestes Tennis zu spielen.“ Sprach eine, die nach ihrem späten Einstieg in die laufende Tennissaison im April von 21 Matches nur ein einziges verlor, im Viertelfinale bei ihrem Comeback in Key Biscayne, gegen die Russin Maria Scharapowa. Die Turniere von Charleston und Warschau gewann die 22-jährige Belgierin danach, in Berlin zog sie am Samstag mit einem formidablen 6:0, 6:1-Erfolg gegen die Schweizerin Patty Schnyder ins gestrige Finale ein, in dem sie die Russin Nadja Petrowa mit 6:3, 4:6, 6:3 bezwang.
Justine Henin-Hardenne hatte ebenso wie ihre Landsfrau Kim Clijsters lange Zeit aussetzen müssen. Beiden scheint die Pause glänzend bekommen zu sein, obwohl sie diese auf sehr unterschiedliche Weise ausfüllten. Frohnatur Clijsters, die an einer Handgelenksverletzung litt, hatte nach eigener Auskunft „viel Spaß“ mit Freunden und auf Partys, Henin-Hardenne grübelte über sich, über die Welt und darüber, ob sie nicht etwas ganz anderes als Tennis mit dem Leben anfangen sollte. Schließlich entschied sie, dass ein häusliches Dasein an der Seite ihres Ehemanns nicht ihre Sache sei, sondern, dass sie weiter reisen und spielen wolle. Was ihr jetzt so gut gelingt, dass eine Neuauflage jenes belgischen Interregnums, welches im Jahr 2003 die Diktatur der Williams-Sisterhood an der Weltranglistenspitze beendete, für die baldige Zukunft vorprogrammiert scheint.
Kim Clijsters, die nach ihrer Rückkehr schon zwei Turniere gewann, musste ihren bis dahin starken Berlin-Auftritt im Achtelfinale nur wegen einer Knieverletzung abbrechen. Einen noch stärkeren Eindruck hinterließ Henin-Hardenne, zum Beispiel als sie das für Sandplätze nicht ideale Spiel Scharapowas im Viertelfinale gründlich demontierte. Sie habe jetzt viel mehr Spaß am Tennis als vor ihrer Krankheit, sagt die Belgierin, gleichzeitig höre sie mehr auf ihren Körper. Eine Viruserkrankung hatte diesen langfristig geschwächt, ob das Leiden kuriert ist, vermögen die Ärzte nicht zu sagen. „Ich habe hart gearbeitet in der Vergangenheit, ohne längere Pausen“, berichtet Henin-Hardenne heute, „ich kam mir vor wie eine Maschine.“ Um mit den muskulösen Power-Spielerinnen aus USA und Russland auch körperlich mithalten zu können, hatte die nur 1,67 m große und anfangs sehr zierliche Belgierin intensives Krafttraining betrieben und alle Warnsignale ihres Körper ignoriert. Jetzt, so berichtet sie, breche sie das Training oft von sich aus ab, wenn sie das Gefühl habe, es sei genug.
Für zusätzliche Belastung sorgt ihre aufwändige Spielweise. Selten macht sie schnelle Punkte, sondern treibt die Gegnerinnen mit ihrer Laufstärke und ihren druckvollen Schlägen in die Enge, bis diese Fehler machen oder sie selbst den entscheidenden Gewinnschlag ansetzen kann. Erschwerend kommt hinzu, dass Justine Henin-Hardenne oft den ersten Durchgang verschläft. Ihre ersten drei Matches in Berlin gingen jeweils über drei Sätze, wegen Regens musste sie zwei Partien, gegen die Tschechin Benesova und die Russin Kirilenko, sogar an einem Tag absolvieren. „Ich habe sechs Sätze gespielt“, staunte sie danach fast ungläubig, „und mein Körper hält es aus.“
Nach dem Sieg gegen Maria Scharapowa, die mit einem Sieg in Berlin die Nummer eins der Weltrangliste hätte werden können, ging die sonst so vorsichtigen Belgierin erstmals auch verbal aus sich heraus. „Die harten Matches der letzten Tage haben mir gezeigt, dass ich wieder voll da bin und auch zuversichtlich in die nächsten Aufgaben gehen kann.“ Das gilt vor allem für die in zwei Wochen beginnenden French Open, die sie 2003 gewonnen hat, und für Wimbledon, das als einziges Grand-Slam-Turnier in ihrer Siegesliste fehlt. Kleiner Trost für die Konkurrentinnen: Zumindest für das Scharapowa-Match räumte Henin-Hardenne ein, da habe sie ihr „allerbestes Tennis“ gezeigt.