: „Wir können nachdenken“
VORTRAG Der Bielefelder Philosoph Ansgar Beckermann will an der Freiheit festhalten
■ 66, emeritierter Professor für Philosophie an der Uni Bielefeld, gilt als Hauptvertreter der Philosophie des Geistes.
taz: Herr Beckermann, gibt es einen freien Willen?
Ansgar Beckermann: Ja. Ich bin zwar Naturalist und glaube nicht an ein übernatürliches Ich, welches in unser Gehirn eingreifen kann, folgere daraus aber nicht, dass es keine Willensfreiheit gibt.
Viele Neurowissenschaftler behaupten das Gegenteil.
Diese Neurowissenschaftler behaupten, dass naturwissenschaftliche Erkenntnisse den Bedingungen eines freien Willens widersprechen. Eine immaterielle Entscheidung sei nicht in der Lage, ins neuronale Geschehen des Gehirns einzugreifen. Diese Wissenschaftler berufen sich auf Experimente, die zeigen, dass das Gehirn die Ausführung einer Handlung bereits vorbereitet, wenn die Entscheidung noch gar nicht bewusst getroffen ist.
Wie kann denn dann menschliche Freiheit aussehen?
Wir können im Alltag relativ gut unterscheiden zwischen Personen, die frei und solchen die unfrei sind. Drogenabhängige, Phobiker und Leute mit anderen psychischen Defekten betrachten wir nicht als frei.
Warum?
Ihnen fehlt die Fähigkeit der Impulskontrolle. Wir können in der Regel, bevor wir handeln, innehalten und nachdenken. Wir sind nicht Impuls-getrieben und können immer sagen, das überleg ich mir nochmal. Wir sind auch in der Lage dem Ergebnis dieser Überlegung nach zu handeln. Diese Fähigkeiten sind mit der neuronalen Determiniertheit unserer Entscheidungen vereinbar. Es ist sogar so, dass sie nachweisbar auf bestimmten neuronalen Strukturen beruhen.
INTERVIEW: TORBEN DITTMER
Vortrag „Ich, Gehirn, Freiheit“: 20 Uhr, Haus der Wissenschaft