Eitel Sonnenschein auf dem Roten Platz

Mit einer perfekt inszenierten Show begeht Moskau den 60. Jahrestag des Sieges über den Faschismus. Sogar das Wetter spielt mit und auch die Missstimmung zwischen den Präsidenten Wladimir Putin und George W. Bush ist wieder verflogen

AUS MOSKAU KLAUS-HELGE DONATH

Fast wäre die Feier des 60. Jahrestages des Sieges über den Hitlerfaschismus ins Wasser gefallen. Dicke Regenwolken dräuten am frühen Morgen über dem Roten Platz in Moskau. Doch dann geschah noch ein Wunder. Mit dem Startsignal zur Militärparade riss der Himmel auf und hüllte Moskaus heiligen Platz in freundlich sanftes Sonnenlicht.

Verteidigungsminister Sergei Iwanow, der der Parade in der traditionellen Zil-Limousine voranfuhr, konnte zufrieden sein. Er hatte das Versprechen, für gutes Wetter zu sorgen, eingelöst und die Luftwaffe mit Petri Unterstützung hatte die Order rechtzeitig umgesetzt. Das gute Wetter sorgte auch auf der Ehrentribüne, wo über 50 Staatschefs Platz genommen hatten, für eine entspannte Atmosphäre. Die perfekt inszenierte Show mit historischen Uniformen, nachgebautem Militärgerät, Marschmusik und rüstigen ordenbehängten Veteranen auf Mannschaftstransportern kam bei der Prominenz gut an. Jacques Chirac winkte gerührt, während Silvio Berlusconi sich von den Rhythmen der Marschmusik klatschend davontragen ließ.

Auch der Gastgeber, Kremlchef Wladimir Putin, war zufrieden. Die Gewitterwolken hatten sich verzogen, die während der Visite des US-Präsidenten im Baltikum nach Moskau gezogen waren. Vom Baltikum aus gemahnte Bush den Kreml an Demokratie und historische Aufrichtigkeit. Auf der Tribüne standen die beiden Staatschefs wieder friedlich nebeneinander.

In einer Rede erinnerte Präsident Putin noch einmal an die kolossalen menschlichen Verluste, die der Krieg die Sowjetunion gekostet hatte. 27 Millionen Menschen fanden den Tod. Er bedankte sich auch bei den Alliierten, die die UdSSR in den ersten Kriegsjahren mit Waffen, Ausrüstung und Lebensmitteln unterstützt hatten. Darüber wird in Russland bislang geschwiegen. Weder passt die Rolle der Alliierten noch die mangelhafte Vorbereitung der sowjetischen Führung unter Stalin in das offizielle Geschichtsbild über den „Großen Vaterländischen Krieg“.

Putin sprach es zumindest an, während er die Vorbehalte der Balten überging. Sie verlangen, dass sich Moskau nach 60 Jahren endlich zur widerrechtlichen Besetzung der baltischen Staaten bekennt. Die Staatschefs Litauens und Estlands blieben der Gedenkfeier daher fern – genauso wie Georgiens Präsident, Michail Saakaschwili. Die Verhandlungen mit Moskau über den Abzug russischer Militärbasen aus der Kaukasusrepublik waren kurz zuvor gescheitert. US-Präsident Bush trat im Streit mit Georgien, das er heute besuchen wird, als Vermittler auf. Er überbrachte Russlands Präsidenten das Ansinnen des Georgiers, den Konflikt um die russische Militärpräsenz gemeinsam mit dem Kremlchef zu lösen.

Putin hob auch die veränderte internationale Lage nach dem Ende des Kalten Krieges hervor. Bestes Beispiel für „internationale Kooperation und offenen Dialog“ sei die historische Versöhnung zwischen Russland und Deutschland. „Ich sehe darin die kostbarste Errungenschaft im Nachkriegs-Europa. Ein Beispiel, dem zu folgen sich in der modernen internationalen Politik lohnen würde“, sagte Putin. Die Beziehungen zu Japan, das auf der Feier durch Premier Junichiro Koizumi vertreten war, erwähnte Putin nicht. Den Feierlichkeiten schließt sich heute ein Gipfel der EU und Russlands an.

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