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Archiv-Artikel

Gesucht: Milliarden fürs Haushaltsloch

Steuerschätzung am kommenden Donnerstag könnte Ausfälle bis zu 53 Milliarden zwischen 2005 bis 2008 ergeben. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) lehnt die Erhöhung der Mehrwertsteuer als Mittel der Haushaltssanierung ab

VON HANNES KOCH

Bärbel Höhn, grüne Agrarministerin in Nordrhein-Westfalen, äußert sich selten zur Steuerpolitik. Dass dies gestern anders war, hat mit der bevorstehenden NRW-Landtagswahl am 22. Mai zu tun. „Ich halte nichts von einer Mehrwertsteuer-Erhöhung“, sagte Höhn und versuchte eine lästige Debatte abzustellen.

Die Mehrwertsteuer ist die Steuer des kleinen Mannes. Erhoben wird sie auf alles, was es in den Geschäften zu kaufen gibt. Jeder Liter Milch, jedes Brot – überall ist sie spürbar. Gerade über die Anhebung dieser Alltagssteuer wird nun wieder diskutiert, weil sich in den öffentlichen Kassen erneut, wie in den vorangegangenen Jahren, umfangreiche Löcher auftun.

Prognostizierte Mindereinnahmen von bis zu 53 Milliarden Euro bis 2008 könnte die Steuerschätzung am kommenden Donnerstag ergeben. Etwa zehn Milliarden Euro fehlen Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) allein in diesem Jahr: rund sechs Milliarden, weil die Ausgaben für das neue Arbeitslosengeld II über Plan steigen, weitere drei bis vier Milliarden, weil die Steuereinnahmen teils wegen der lahmen Konjunktur unter den Erwartungen bleiben. Dass er deshalb an eine Erhöhung der Mehrwertsteuer denke, ließ Eichel gestern aber dementieren.

Das ist die eine Seite, politische Gemengelage und Haushaltszwänge markieren die andere. Denn die Schieflage gerade des Bundeshaushalts wird umso deutlicher, je mehr die Union im Bundesrat Vorschläge zur Geldbeschaffung ablehnt. In diese Richtung geht Eichels Hinweis, die Ministerpräsidenten der Union müssten Position beziehen, wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer nun zu umschiffen sei.

Derweil steht das Thema auch in der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion auf der Tagesordnung. Drei Schwergewichte unter den Wirtschaftsforschern haben sich unlängst zusammengetan, um für die Erhöhung der Mehrwertsteuer einzutreten: Klaus Zimmermann, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (Berlin), Michael Hüther vom Institut der Deutschen Wirtschaft (Köln) und Thomas Straubhaar vom Hamburger Weltwirtschaftsarchiv. Sie schlagen vor, die Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte auf 18 Prozent anzuheben, was rund 18 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich brächte. Doch die Finanzminister sollen diesen Geldsegen nicht verfrühstücken, sondern damit die Abschaffung des Solidaritätsbetrages auf die Einkommensteuer und die Senkung der Lohnnebenkosten finanzieren. Weil Nachfrage und Konsum gestärkt, die Produktion andererseits verbilligt würden, könnte diese Variante zu mehr Wirtschaftswachstum führen, argumentieren Hüther, Zimmermann und Straubhaar.

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