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Archiv-Artikel

Kampf gegen das Kindeswohl

HOMOEHE Bayern zieht die Verfassungsklage im Streit übers Adoptionsrecht zurück. Ein Durchbruch? Von wegen: Die CSU will sich weiter gegen die Gleichberechtigung wehren

VON JAN FEDDERSEN

Das Bundesverfassungsgericht hatte ohnehin signalisiert, es mit einem Urteil zu dieser Klage nicht eilig zu haben. Nun hat Bayern sein Begehr nach einem Normenkontrollverfahren selbst zurückgezogen. In einem Schriftsatz gab die bayerische Staatsregierung kund, dass man die Reform des Gesetzes über die Eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht mehr überprüfen lassen möchte.

Der Verzicht seitens der CSU mag sich aus verschiedenen Motiven speisen. Einerseits hatte die Klage nicht alle Christsozialen auf ihrer Seite. Andererseits hatte das Begehr der CSU unter dem inzwischen abgelösten Ministerpräsidenten Edmund Stoiber keine Unterstützung durch konservative Bundesländer wie Baden-Württemberg, Thüringen oder Sachsen, die immerhin noch mit den Bayern die Generalklage gegen die eingetragene Lebenspartnerschaft mit beförderten. Allerdings scheiterten sie alle an Karlsruhe. Das Hohe Gericht fand nämlich, dass die Homoehe keineswegs gegen Artikel 6 (Schutz von Ehe und Familie) verstoße. Die bayerische Einsicht ins Faktische mag auch befördert worden sein durch die politische Perspektive im Bund: Die FDP würde einen weiteren Kulturkampf gegen homosexuelle Eltern keineswegs mittragen.

Hauptsächlich aber mag der Rückzug von der Klage auch durch zwei wissenschaftliche Studien unterfüttert worden sein, die jüngst veröffentlicht wurden. Das Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg hatte in einer Untersuchung ebenso wie das Bayerische Staatsinstitut für Frühpädagogik in München herausgefunden, dass Kinder in homosexuellen Beziehungen mindestens so behütet aufwachsen wie in klassischen Mutter-Vater-Kombinationen. Vom Karlsruher Verfassungsgericht soll intern an die bayerischen Kläger signalisiert worden sein, dass man diese Studien mit gewogenem Interesse zur Kenntnis genommen habe: Bayern musste, wollte es nicht eine neuerliche desaströse Niederlage durch das Verfassungsgericht einstecken, tun, was es jetzt tat.

Die These von Liberalen, dass diese Geste ein „Durchbruch für die Homo-Ehe“ (SZ) ist, ist freilich nicht triftig. Vor allem wenn’s ums Geld geht, haben CDU/CSU alles unternommen, um die Privilegierung heterosexueller Paare zu retten. Bei der Erbschaftsteuer sind Homopaare heterosexuellen immer noch nicht gleichgestellt; im Steuerrecht generell wird Heterosexualität begünstigt – auch wenn kein Nachwuchs da ist. Das Ehegattensplitting gilt unabhängig von Zeugungsresultaten. Homosexuelle Paare haben füreinander alle finanziellen Pflichten zu übernehmen, können diese aber nicht steuerlich geltend machen. Besonders ungerecht ist, dass Kinder mit Eltern in Lebenspartnerschaften nicht mit denen aus Heteroehen gleichgestellt sind. Insofern ist der Verzicht Bayerns auf Normenkontrolle nichts als einer, der die familienpolitische Moral in den Vorstellungen der Nachkriegszeit justiert wissen will.

Bürgerrechtsverbände wie der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) haben die bayerische Notbremse mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Sie monieren aber, dass zugleich die Initiative von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries für ein Adoptionsrecht von schwulen oder lesbischen Paaren von der Union heftig abgewiesen wurde. Offenbar aber ist seit den Familienstudien bayerisch-nobler Institute, dass der Union das heterosexuelle Wohl nähergeht als das von Kindern, die behütende Eltern nötig haben.

siehe auch SEITE 6