: Ex heißt bald „Hopp!“
VON COSIMA SCHMITT
Der Entwurf ist noch druckfrisch, in einem Jahr aber soll er Gesetz sein: Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) will das Unterhaltsrecht reformieren. Mehr Rechte für ledige Mütter, mehr Pflichten für die kinderlose Ex, so der Tenor der Novelle. Zypries will „zeitgemäße Regeln“, die vier Tendenzen spiegeln: dass Ehen immer kürzer dauern, immer häufiger scheitern, dass öfter als früher das Geld nicht für alle reicht; und dass jedes vierte Elternpaar ohne Trauschein zusammenlebt.
Ein Kern der Zypries-Pläne: Stärker als bisher sollen die Exgatten für sich selbst sorgen müssen. Die Ministerin nennt das „nacheheliche Eigenverantwortung“. Noch können Richter den Unterhalt nur in Ausnahmefällen befristen und begrenzen, künftig soll das alltäglich sein. Es sei „kaum mehr vermittelbar“, so Zypries, dass Paare lebenslang füreinander einstehen müssen, die nur wenige Jahre verheiratet waren. Die Topmanagerin etwa braucht ihren schlechter verdienenden Kurzzeitgatten dann nicht mehr bis zur Rente zu alimentieren. Wer allerdings zehn Jahre zu Hause war, Kinder großgezogen und dem Partner die Karriere ermöglicht hat, soll weiterhin lebenslang Geld vom Ex erhalten.
Für alle Übrigen aber werden die Zeiten härter. So soll ein Expartner künftig früher zurück in den Job. Bislang galt es als Richtwert, dass er oder sie erst Vollzeit arbeiten muss, wenn das jüngste Kind 16 Jahre alt ist. Solch starre Grenzen will Zypries abschaffen. Sie plädiert für den Blick auf den Einzelfall. Hat das Kind Schulprobleme, soll auch die Teenager-Mutter Teilzeit jobben dürfen. Ist aber ein Hort erreichbar, das Kind pflegeleicht – dann soll die Exfrau eher als jetzt eine Arbeitsstelle zugemutet werden. Noch eine Neuheit: Der Lebensstandard in der Ehe soll nur noch ein Maßstab unter vielen sein, nach denen der Unterhalt bemessen wird. Eine Sekretärin etwa müsste sich langfristig mit einer bescheidenen Wohnung begnügen – auch wenn sie ein paar Jahre mit einem Bankdirektor verheiratet war.
Herrscht Mangel, geht das Kind vor. Das ist das zweite große Ziel der Zypries-Reform. Sie reagiert auf einen Trend: Immer mehr Unterhaltspflichtige verdienen nicht genug, als dass das Geld für alle reicht – für die Kinder, die Ex und die Zweitgattin. Bisher wird das Geld aufgeteilt. Nach den neuen Regeln aber hätten die Kinder Vorrang. Erst wenn sie ausbezahlt sind, kommen auch die (Ex-)Partner zum Zug – in streng gestaffelter Ordnung. Zunächst erhalten diejenigen Geld, die Kinder erziehen. Ihnen gleichberechtigt sind die Kinderlosen, die auf eine lange Ehe zurückblicken. An letzter Stelle kommen die kinderlosen Kurzzeitgatten. Ist das Geld knapp, wäre wenigstens der Nachwuchs abgesichert. Zypries erhofft sich vom Fokus Kind auch eine bessere Zahlungsmoral der Väter. Studien hätten gezeigt, dass Männer lieber für ihr Kind aufkommen als für die Ex.
Mehr Rechte für die ledige Mutter – das ist der dritte Punkt der Reform. Derzeit darf sich eine Exgattin ganz dem Kind widmen, bis es acht Jahre alt ist. Anders die unverheiratete Mutter: Sie muss zurück in den Job, sobald ihr Kind drei Jahre alt ist. Einzige Ausnahme sind „grob unbillige“ Fälle, wie Juristen sie nennen. Wenn eine Frau etwa ein behindertes Kind großzieht, muss der Vater über die Dreijahresfrist hinaus zahlen. Künftig soll schon „einfache Unbilligkeit“ genügen – etwa dass die Mutter keine Kita für ihr Kleinkind findet.
Zwar wird es auch nach der Novelle kein gleiches Recht für ledige wie geschiedene Mütter geben. Zypries hält dies für „nicht machbar“. Sie verweist auf Artikel 6 des Grundgesetzes, der einen Sonderschutz der Ehe vorschreibt. Die Richter sollen aber mehr Fall-zu-Fall-Spielraum erhalten. Zypries begründet das mit dem Kindeswohl: Auch der ledige Nachwuchs hat Anspruch auf eine Mutter, die für ihn da ist.
Gestern hat Zypries ihren Entwurf an die Ressorts versandt. Noch im Sommer soll das Kabinett ihn absegnen. Die Chancen dafür stehen gut. Selbst wenn die Opposition die Zypries-Pläne ablehnt – bremsen kann sie sie nicht. Denn der Bundesrat muss dem Gesetz nicht zustimmen.