: DIE SENATORENRIEGE
Michael Müller (SPD): Bezahlbare Mieten, sagte Klaus Wowereit, seien eines der zentralen Themen der neuen Legislatur. Den Auftrag hat Stadtentwicklungssenator Müller angenommen. Er stoppte Mieterhöhungen bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Und 85.000 Wohnungen im Osten sollen ab Mai nur noch mit Wohnberechtigungsschein zu mieten sein. Zudem will Müller die Vermietung von Ferienwohnungen mittels Zweckentfremdungsverbot erschweren. Keine schlechte Wendung, wenn man bedenkt, dass seine SPD-Vorgängerin Ingeborg Junge-Reyer keinerlei Wohnungsnot konstatierte. Andere Bereiche wie Umwelt und Verkehr blieben dagegen bislang Baustelle. Immerhin: Mit der Veröffentlichung der S-Bahn-Verträge zeigte sich Müller transparenzbereit. Hilfreich werden dürften Müller seine beiden neuen, clever ausgewählten Staatssekretäre. Ephraim Gothe (Ex-Baustadtrat) steht für eine neue, sozialere Liegenschaftspolitik. Christian Gaebler (Ex-SPD-Geschäftsführer) für Verkehrsexpertise. Und: Beide sind gewichtige Stimmen im SPD-Landesverband. Das dürfte Müller zupasskommen, wenn er im Juni bei der Wahl zum Landesvorsitz erstmals einen Herausforderer hat +++ Frank Henkel (CDU): Als Hardliner angepriesen, präsentiert sich der CDU-Landeschef bisher zahm. Die Deeskalationsstrategie der Polizei auf Demonstrationen soll nun Doppelstrategie heißen – de facto bleibt’s beim Alten: erst reden, bei Straftaten durchgreifen. Und statt sich wie im Wahlkampf auf den Linksextremismus zu versteifen, schafft Henkel beim Verfassungsschutz fünf neue Stellen im Bereich Rechtsextremismus. Eigene Akzente aber, mit denen er sich von seinem SPD-Vorgänger Ehrhart Körting absetzen würde, fehlen. Leidenschaftlich wird Henkel nur als Advokat der Polizisten. 300 Polizeianwärter will er als Beamte übernehmen. Nimmermüde preist er die Neueinstellung von 250 Polizisten. Das freilich wollte auch die SPD +++ Sybille von Obernitz (parteilos, für die CDU): Sie hat den schwersten Job im Senat. Neu in der Landespolitik und für ein Feld verantwortlich, das nicht ihr ureigenes ist. Denn die Wirtschaftssenatorin ist zwar Volkswirtschaftlerin, war aber in ihrem vorigen Job beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag für berufliche Bildung zuständig. Trotz meist überzeugender Auftritte im Parlament waren Pannen deshalb programmiert. Jüngst machte Obernitz dadurch Schlagzeilen, dass man ihr wenig pfleglichen Umgang mit angeblich Altgedienten in der Berliner Wirtschaft vorhält. So warf nach einem Scharmützel mit der Senatorin der Aufsichtsratschef von „Berlin Partner“, der privaten Wirtschaftsförderungsagentur des Landes, die Brocken hin.
Nahe liegt der Verdacht, die Bosse der landeseigenen oder landesnahen Unternehmen – fast nur Männer – bockten nach lockerer Führung durch Obernitz-Vorgänger Harald Wolf (Linke) gegen den Versuch, sie wieder an die kürzere Leine zu nehmen +++ Sandra Scheeres (SPD): Vorschusslorbeeren gab es nicht gerade, als Scheeres als Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Forschung startete. Diplompädagogin ohne Verwaltungserfahrung – und dann als Chefin in der als schwierig geltenden größten Behörde der Stadt? Vor allem im Wissenschaftsbereich würde sie es schwer haben, hieß es. Da patzte sie dann auch direkt: Als es um die Kooperation von Vivantes und Charité ging, musste sie an ihren Sprecher abgeben. In der Bildung macht Scheeres eine deutlich bessere Figur. So profitiert sie zwar bei der Schulreform davon, dass das größte Chaos überstanden ist. Eigene Akzente setzte sie aber auch: In den Haushaltsberatungen handelte sie genug Geld für neue Kitaplätze aus. Und: Zwar wird die Integration behinderter Kinder in Regelschulen um ein Jahr verschoben, dafür jedoch mit den Beteiligten diskutiert – bei diesen kommt das gut an +++ Mario Czaja (CDU): Zumindest von Charité bis Vivantes scheint die Freude über den neuen Gesundheitssenator ungetrübt. „Endlich jemand, der was davon versteht“, rief einer euphorisch, als Czaja kürzlich vor Vertretern der Gesundheitswirtschaft mit Paragrafen und Fachbegriffen glänzte. Von Berlin als „gläserner Manufaktur der Gesundheitswirtschaft“ träumt Czaja und weiß, dass er damit einen Nerv in der lange zusammengekürzten Branche trifft. Im Sozialbereich sieht es dürftiger aus mit den Visionen: eine „gerechtere Unterbringung für Flüchtlinge“ wird geprüft, die Mietzuschüsse für Hartz-IV-Empfänger sollen „zeitnah“ überarbeitet werden. Reichlich wolkige Vorhaben +++ Michael Braun (CDU, Senator a. D.): Der Rechtsanwalt und Notar Michael Braun, CDU-Platzhirsch in Steglitz-Zehlendorf, stolperte schon nach elf Tagen als Senator für Justiz und Verbraucherschutz über den Vorwurf, unlautere Geschäfte mit „Schrottimmobilien“ beurkundet zu haben. Trotzdem standen ihm laut Gesetz sechs Monate „Übergangsgeld“ zu – in diesem Fall 50.000 Euro. Ein Antrag der Linken, der dies stoppen sollte, scheiterte. Umsonst war der Streit darum nicht: CDU und SPD haben einen Änderungsentwurf des Senatorengesetzes erarbeitet, der schon die erste Hürde genommen hat. Das Übergangsgeld wird danach nur noch für so viele Monate gezahlt, wie der Ehemalige vorher Amtsbezüge erhalten hat – „höchstens jedoch für zwei Jahre“