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Das Buch ist gut!

Die Langzeitstudentenerzählung, der Antiglobalisierungsroman und der schwule Subtext von Sherlock Holmes: Marc Degens hat mit „Unsere Popmoderne“ eine unterhaltsame Parodie auf Bücher geschrieben, die es gar nicht gibt

Die grassierende Kolumnensucht unserer Zeit führt ja leider dazu, dass aus fast jeder Zeitungskolumne – behandelt sie auch noch so nebensächliche Dinge wie Vatersein, stilvolles Verarmen, oder Kindheit/Jugend in Ost/West – gleich ein Buch gemacht wird.

Bei Marc Degens und seiner „Popmoderne“ ist das etwas anders. „Unsere Popmoderne“ erschien zwar bereits in den Jahren 2001 und 2002 im Feuilleton der FAZ, wurde nun aber glücklicherweise als Paperback im SuKuLTuR Verlag einem größeren Publikum zugänglich gemacht. Denn als Parodie der literarischen Anthologie ist „Unsere Popmoderne“ spannend, schlau und unterhaltsam zugleich.

„Das Beste aus schlechten Büchern“ heißt es im Untertitel – das irritiert zunächst, merkt der Leser doch bald, dass hier Bücher vorgestellt werden, die es so noch gar nicht gibt. „Unsere Popmoderne“ besteht aus 28 Auszügen aus fiktiven Werken der Gegenwartsliteratur mit kurzen Erläuterungen zu Autor und Wirkungsgeschichte.

Marc Degens hat für die Anthologie jede Menge neuer Genres erfunden: Da gibt es den Internetsuchtroman „Darja in Digitalien“, die Langzeitstudentenerzählung und den Antiglobalisierungsroman. Der spielt natürlich in Genua und erinnert in seinen wesentlichen Gattungsmerkmalen stark an die mittelalterliche Märtyrerlegende.

Manche Einzeltexte haben leicht erkennbare reale Vorbilder, imitieren treffend bekannte Stimmen, andere sind frei erfunden. So probiert und imitiert Degens unterschiedliche Schreibstile und Textgattungen, manchmal lässt sich die Parodie kaum vom Original unterscheiden. Besonders die Anfänge und Schlüsselszenen überzeugen als äußerst gekonnte Stilübung, der kurze Text zur Biografie und Rezeption des Werkes ist aber teilweise sogar noch spannender und amüsanter. Denn die biografischen Erläuterungen halten sich sehr nah am wirklichen Buchmarkt, wenn zum Beispiel der Technoschriftsteller am Theater tätig wird und Harald Schmidt den Popliteraten protegiert oder der Inzestroman einen Skandal in Frankreich auslöst. Nur ganz selten, wie etwa beim Hundelesbenkrimi, gerät die Lust an der Parodie ins Kalauernde.

Eine große Rolle spielt die erotische Literatur in der „Popmoderne“. Sie reicht vom schwitzig- erotischen Traumtagebuch des neunzehnjährigen Leipziger Gymnasiasten bis zur abgebrüht-sinnlichen Prosa der vierundvierzigjährigen amerikanischen Schriftstellerin und promovierten Skandinavistin, die in ihrem Enthüllungsroman offenherzige Einblicke in ihr Eheleben nebst zahllosen Affären und Seitensprüngen gibt. Sehr raffiniert ist es auch, wie Degens den schwulen Subtext bei Sherlock Holmes sichtbar macht.

Ein großes Vergnügen zieht man auch daraus, beim Lesen des literarischen Textes die Hintergrundgeschichte bereits selbst zu konstruieren, doch schnell kann der Leser da in die Falle tappen.

So ist der Text „Ich möchte irgend etwas für dich sein“ in seiner jugendlichen Seelenverwandschaftshysterie dann eben nicht, wie angenommen, von einem sechzehnjährigen Lesebühnengroupie verfasst und wird demnächst mit Noreen Fritsch verfilmt, sondern – April! April! – vom 41-jährigen Kölner Schriftsteller „als Abrechnung mit Jugendlichkeitswahn, Belanglosigkeit und Durchschnittlichkeit der (so genannten) Popliteratur“ gedacht.

„Unsere Popmoderne“ ist also ein rundum gelungenes Werk, und dem etwas knappen Vorwort von Thomas Kapielski: „Das Buch ist gut!“ kann vorbehaltlos zustimmt werden.

CHRISTIANE RÖSINGER

Marc Degens: „Unsere Popmoderne oder Das Beste aus schlechten Büchern“. Mit einem Vorwort von Thomas Kapielski. SuKuLTuR, Berlin 2005, 12 €

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