Sommer-Pressekonferenz des Kanzlers: Merz versucht, die Krise kleinzureden
Friedrich Merz spricht von einer „guten Arbeitsbeziehung“ zwischen Union und SPD. Vielen Fragen zur verschobenen Richterwahl weicht der Kanzler aus.
Merz war am Freitagvormittag in die Bundespressekonferenz gekommen, um sich vor der blauen Wand den Fragen der versammelten Journalist*innen zu stellen. Die Sommerpressekonferenz ist ein traditionelles Format, das einmal im Jahr stattfindet, bevor der Regierungschef und ein großer Teil der Hauptstadtpresse in den Urlaub gehen.
Die Fragen sind thematisch nicht beschränkt, aber es gibt eine klare Verfahrensregel: eine Frage, eine Nachfrage, dann ist der oder die nächste dran. Der Saal ist bis auf den letzten Platz besetzt, die Meldungen sind zahlreich. Nur ein Teil der Journalist*innen wird ihre Fragen los.
Nach Merz' Eingangsstatement geht es fast eine halbe Stunde lang nur um das Debakel, das die Koalition am letzten Sitzungstag im Bundestag angerichtet hat, weil die Stimmen der Union für die renommierte Potsdamer Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf nicht standen. Dazu sei alles gesagt, versucht Merz die Fragen abzuwimmeln. Den Auftritt der Juristin in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz habe er nicht gesehen, „aus Zeitgründen“. Dort hatte Brosius-Gersdorf am Dienstag beherzt ihre Positionen erläutert, Lügen und Verleumdungen richtig gestellt und von Anfeindungen und Drohungen berichtet.
Ob er für die Kandidatin in der Fraktion noch werbe und ob er das auch von seinem Fraktionschef Jens Spahn erwarte, schließlich hatten beide die Stimmen der Union für die Kandidatin der SPD fest zugesagt? Ob helfen könne, wenn Brosius-Gersdorf zum Gespräch in die Unionsfraktion komme, wie sie es angeboten hat? Merz weicht aus. Er könne diese Fragen nicht beantworten, weil er nicht wisse, „wer die Kandidatinnen und Kandidaten bei der Wiederholungswahl sein werden“.
Offiziell allerdings sind das derzeit noch genau die drei Jurist*innen, die der Richterwahlausschuss auch mit den Stimmen der Union nominiert hat. Merz spricht es nicht aus, doch mehr als deutlich wird, dass er auf ein neues Personaltableau hofft – und damit auf dem Rückzug von Brosius-Gersdorf. Diesen haben bereits CSU-Chef Markus Söder und Innenminister Alexander Dobdrindt (ebenfalls CSU) der Kandidatin ziemlich unverblümt nahegelegt. Merz sagt nur: „Ich schließe jedenfalls aus heutiger Sicht keine Option aus.“ Den Umgang mit der Juristin immerhin verurteilt er mit deutlichen Worten: „Das, was Frau Brosius-Gersdorf in den letzten Wochen erlebt hat, ist völlig inakzeptabel.“
Koalitionskrise? Welche Koalitionskrise?
Er vertraue darauf, dass die beiden Fraktionen „das gut regeln werden“, sagt Merz, als es um die Auswirkungen der verschobenen Richterwahl geht. Von einer Koalitionskrise will er nichts wissen. Es sei „nichts Außergewöhnliches“, dass es zu Beginn in einer Regierung „mal Reibungsverluste“ gebe. „CDU/CSU und SPD werden eine ganz normale Arbeitsbeziehung haben“, so sieht Merz das – oder so sagt er es zumindest.
Doch der Kanzler ist sichtlich froh, als das nächste Thema ansteht. Noch eine weitere Stunde geht es einmal querbeet. Um Israel etwa, dessen Vorgehen in Gaza Merz noch einmal kritisiert, aus dem er aber keine Konsequenzen zieht. Um die Finanzierung der EU, bei der er Deutschland am Limit sieht. Um die Sozialbeiträge, die er „mindestens“ stabilisieren will. Auch begrüßt er den aktuellen Abschiebeflug nach Afghanistan.
Alles okay, nichts passiert, wir haben die Lage im Griff: Das ist das Bild, das Merz auf dieser Pressekonferenz vermitteln will. Widerspruch aus der Opposition lässt hinterher nicht lange auf sich warten. Merz habe nicht darlegen können, dass er Chef einer handlungsfähigen Regierung sei, urteilt Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge. „Das ist die verheerende Bilanz seiner ersten 70 Tage im Amt.“ In zwei Wochen geht Merz erst einmal in den Urlaub, die freie Zeit wird „kurz sein“, wie er selbst sagt. Leichter wird das Regieren danach nicht.
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