Unüberwindbar

In der Pressekonferenz nach dem Spiel stand Manni Werner auf und wurde noch feierlicher, als die Atmosphäre in der Campushalle sowieso schon war. „Ich soll von den Schiedsrichtern einen Dank an Mattias Andersson ausrichten“, sagte das SG-Urgestein gerührt. „Er hat Ende der ersten Halbzeit eine Entscheidung korrigiert, wodurch der HSV in Ballbesitz blieb.“

Dieser Ehrbezeugung hätte es gar nicht mehr bedurft, um den schwedischen Nationaltorwart zum Helden des Tages zu machen. 22 Paraden und eine Leistung, die den Stadionsprecher zu dem Ausbruch trieb, so etwas habe er noch nie erlebt, sprachen für sich. Dass dies das beste Spiel seines Lebens gewesen sei, wollte der 33-Jährige zwar nicht bestätigen, fand aber selbst nur Worte wie „unglaublich, unfassbar“.

Schon die Lockerheit, mit der der 185-Zentimeter-Mann beim Aufwärmen die Beine bis zum Lattenkreuz hoch warf, ließ Großes vermuten. Es war aber zunächst der Schwede auf der anderen Seite, HSV-Torwart Dan Beutler – bis zu dieser Saison Anderssons Vorgänger – der seiner Mannschaft mit einigen Paraden Vorteile verschaffte. Nach einer Viertelstunde hatte die SG-Abwehr sich auf die wenigen Angriffsvarianten des Gegners eingestellt, Andersson nagelte seinen Kasten zu und Beutler ließ sich noch vor der Halbzeit, in die die Flensburger mit drei Toren Vorsprung gingen, auswechseln.

Es folgte die Wiedergeburt der Hölle Nord. Ob von außen, vom Kreis oder aus dem Rückraum – die HSV-Werfer verzweifelten an Andersson und jede seiner Paraden ließ die Stimmung in der Halle noch höher kochen. Ab der 40. Minute setzten sich die 6.900 Zuschauer kaum noch hin und trieben mit gewaltigem Lärmpegel fast alle SG-Spieler zur Höchstform – allen voran Rechtsaußen Lasse Svan-Hansen, der sieben Treffer zum 36:30-Sieg beisteuerte. Nach Spielschluss wurde das Feld wie zu großen Meisterschaftszeiten von den Fans eingenommen, mittendrin die Spieler, und am glücklichsten wirkte Mattias Andersson mit seinem Sohn auf dem Arm.

Durch diesen Sieg zogen die Flensburger am HSV vorbei auf den wichtigen dritten Tabellenplatz, der zur Teilnahme an der Champions League berechtigt. Nach langer Zeit siegte einmal wieder Systemhandball über Krafthandball. Trainer Llubomir Vranjes hatte die Hinspielklatsche intensiv analysiert und seine Mannschaft zielsicher eingestellt. HSV-Präsident Martin Schwalb sah bei seinem Team hingegen „Systemfehler“. Seinen Trainer Jens Häusler, der den glücklosen, aus Flensburg abgeworbenen Per Carlén abgelöst hatte, will er aber nicht in Frage stellen. Dennoch wird er sich an diesem Tag geärgert haben, vor einem Jahr den falschen Trainer aus Flensburg geholt zu haben. Und den falschen Schweden als Torwart.  RALF LORENZEN