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Archiv-Artikel

Das jüngste Gericht

Ausgerechnet ehemalige Springer-Leute haben ein Internetportal für Pressebeschwerden gegründet. Dort können Betroffene Presseberichte kritisieren – für viel Geld, aber ohne rechtlichen Nutzen

Rechtlich gesehen ist die „Gegenrede“ überflüssig, weil sie die offizielle Gegendarstellung nicht ersetzt

VON PETER SCHEIBE

Seit Jahren plagt sich Bundesjustizministerin Brigitte Zypries durch alle Gremien mit einer Neufassung des Prozessrechts. Dass es mit einer Reform auch schneller gehen kann, das will nun Ex-Bild-Chefredakteur Udo Röbel beweisen. Kurzerhand hat er die Justizreform für den Bereich des Presserechts zu seiner Privatsache erklärt und eine neue Instanz vors Gerichtsverfahren geschaltet. Unter www.fairpress.biz/ ist diese Geschäftsidee jetzt im Internet zu begutachten.

Laut Eigenwerbung handelt es sich bei fairpress.biz um „ein Instrument für die moderne Medienwelt“, das „Betroffenen einer Berichterstattung die Möglichkeit gibt, sich öffentlich zu wehren, ein juristisches Vorgehen anzukündigen und über erzielte Erfolge vor den Gerichten zu berichten“. Tatsächlich ist die Seite aber nichts anderes als ein Weblog, auf dem man sich über Presseberichte beschweren kann – und das mit viel Geld.

Als wichtigstes Mittel haben sich Röbel und Co. den pseudojuristischen Begriff der „Gegenrede“ einfallen lassen – eine Art inoffizielle Gegendarstellung, in der alles stehen kann, was die tatsächlich oder vermeintlich Betroffenen an einem Pressebericht auszusetzen haben. Rechtlich gesehen ist die „Gegenrede“ überflüssig, weil sie die gesetzlich geregelte Gegendarstellung nicht ersetzt. Trotzdem soll sie dieser aber nach dem Willen der Macher von fairpress.biz vorausgehen – weil sie gut daran verdienen. Die Preisspanne für einmal Gegenreden reicht von 250 bis 2.000 Euro – „zzgl. MwSt.“, versteht sich.

Dass ausgerechnet Udo Röbel bereits im Firmennamen Fairness zu seinem Credo erklärt, darf immerhin verwundern. Schließlich war er es, der eine der größten Debatten über Presseethik in der Geschichte der Bundesrepublik auslöste, nachdem er sich seinerzeit als stellvertretender Chefredakteur des Kölner Boulevardblatts Express zu den Geiselnehmern von Gladbeck ins Auto gesetzt hatte. Dieses Mal mit im Netz sitzen zwei Kollegen aus der gemeinsamen Zeit bei Axel Springer, unter ihnen der ehemalige Chef von Bild-Online, Michael Bogdahn, sowie der Hamburger Rechtsanwalt Christoph Meyer-Bohl.

Noch ist das Gemeinschaftsprojekt keine zwei Wochen online. Doch schon jetzt lässt sich sagen: Betroffene tatsächlich oder vermeintlich unfairer Berichterstattung werden von diesem Angebot am wenigsten profitieren. Zumindest für das Laienverständnis nicht ganz ungeschickt, argumentiert man bei fairpress.biz zwar mit dem Zeitfaktor: Eine „Gegenrede“ kann schon am selben Tag wie ein Artikel erscheinen. Gerichtsprozesse können dagegen lang dauern – und wenn es endlich zu einer Gegendarstellung kommt, kann es schon mal sein, dass sich keiner mehr an den Ausgangstext erinnert.

Doch die in der fairpress.biz-Eigendarstellung immer wieder bemühte „Öffentlichkeit“, die den Betroffenen bisher fehle, dürfte mit dieser Plattform ganz gewiss nicht herzustellen sein. Zum einen fehlt die große Werbekampagne, die auf das neue Angebot aufmerksam macht. Zum anderen erscheint die „Gegenrede“ nur bei fairpress.biz – und nicht wie die Gegendarstellung in dem Medium, in dem der beanstandete Artikel selbst veröffentlicht worden war. Wer also die „unfaire“ Presse gelesen hat, bekommt mit einiger Wahrscheinlichkeit die „Gegenrede“ dazu nie zu sehen.

Bei Rechtsanwälten ist deshalb Verkaufstalent gefragt, wenn sie ihren Mandanten zu einer solchen „Gegenrede“ raten, da die Gebühren letztlich von diesen zu tragen sind. Ärgern werden sich die Anwälte trotzdem nicht, können sie doch den Mehraufwand ihren Mandanten in Rechnung stellen – so können auch sie noch an einer „Gegenrede“ verdienen. Mit gutem Beispiel voran geht der Berliner Promi-Anwalt Peter Raue, der seine Mandantin Veronika Ferres offenbar davon überzeugen konnte, dass sie überzähliges Geld in eine „Gegenrede“ gegen Das neue Blatt investiert. Die Illustrierte hatte über etwaige Bauabsichten von Ferres berichtet.

Ganz Promi-gerecht stehen für die „Gegenrede“ übrigens eine „Basic“- und eine „Premium“-Option zur Verfügung. Die Wahl zwischen „Basic“ und „Premium“ ist so sinnfrei wie kostspielig. Letztere Variante bietet nur fantasievoll kreierte Zusatzleistungen wie „Text ohne Zeichenbegrenzung“ (statt „Text bis 2.000 Zeichen“), „Veröffentlichung von bis zu 3 Fotos“ oder einen „Link auf eigene Homepage“. Außerdem unterscheidet fairpress.biz zwischen Privatpersonen und juristischen Personen, nämlich Unternehmen, Verbänden und Institutionen. Für Unternehmen kostet eine „Premium“-Gegenrede pauschal 2.000 Euro – und damit mehr als manch verlorenes Gegendarstellungsverfahren vor Gericht. Von einem gewonnenen ganz zu schweigen. Trotzdem haben sich mit dem Energiekonzern EnBW und der Bahn bereits die ersten „Premium“-Gegenredner gefunden.

Den größten Dank schulden fairpress.biz aber die Pressejustiziare. Sie können künftig die Berichterstattung des eigenen Mediums besser auf das Risiko tatsächlicher juristischer Ansprüche überprüfen – sind sie doch durch mögliche „Gegenreden“ frühzeitig gewarnt.

Peter Scheibe ist Justiziar der taz