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Archiv-Artikel

Aus für Ammann

„Wir sind das Bodenpersonal und die Autoren dürfen fliegen“, hat der Verleger Egon Ammann 2006 in einem Interview mit der NZZ gesagt – wer hätte geahnt, dass dieser Höhen- zum Ikarusflug werden würde? Die Hiobsbotschaft erreichte Autoren und Mitarbeiter am Montag gleichzeitig mit der Presse: Zum 30. Juni 2010 wird der kleine, aber feine Schweizer Ammann Verlag seine Arbeit einstellen – ein Jahr vor seinem 30. Jubiläum.

Das Gründer- und Verlegerehepaar Ammann/Flammersfeld begründete die überraschende Entscheidung unter anderem mit seinem „fortgeschrittenen Alter“. Zwar sind sie mit 68 und 60 nicht mehr die Jüngsten, doch im Vordergrund dürfte eher die „für Literatur zunehmend schwierigere Marktsituation“ stehen: Ohne die 2007 abgeschaffte Buchpreisbindung haben es Edel- und Kleinverlage in der Schweiz zunehmend schwer; erst im Mai musste Urs Engeler seine Lyrikedition aufgeben, seit 1995 hat sich die Zahl der deutschsprachigen Schweizer Verlage um ein Drittel reduziert.

Die Weiterführung unter fremder Ägide oder gar die Übernahme durch ein großes Verlagshaus wäre für die zwei Traditionsverleger unvorstellbar: „Persönliche Vorlieben, Beziehungen zu alten und Begegnungen mit jungen Autoren haben sich zu einer persönlichen Handschrift des Ammann Verlags gefügt“, so Sprecher Simon Rüttimann. „Niemand kann an ihre Stelle treten.“ Für die neun Mitarbeiter und alle Autoren werde „eine Lösung gesucht“. Stammschreiber wie Thomas Hürlimann („Die Tessinerin“) und Ulrich Peltzer („Teil der Lösung“) dürften leichterdings in einem neuen Verlag unterkommen, viele andere jedoch nicht. Der Präsident des Schweizer Autorenverbands, Francesco Micieli, spricht von einem „besonders schmerzlichen Verlust“: „Ammann gehörte zu den wenigen ‚fairen‘ Verlagen, die ihre Autoren pflegen und nicht nur Produkte vermarkten.“

Mit 1.000 Publikationen in 29 Jahren ist Ammann kein Verlag der Superlative, doch eine verlässliche Nachwuchsschmiede: Die Züricher entdeckten heute so erfolgreiche Autoren wie Julia Franck („Der neue Koch“) und Thorsten Becker („Die Bürgschaft“) und übersetzten die Werke von Fernando Pessoa, Éric-Emmanuel Schmitt und Nobelpreisträger Wole Soyinka erstmals ins Deutsche.

„Sie können auf uns zählen, wir zählen auf Sie“, schrieb Egon Ammann im aktuellen Herbstprogramm noch voller Optimismus -- in Anlehnung an den neuen Roman von Jorge Bucay (“Zähl auf mich“), dessen Held sich in einer Midlife-Crisis auf seinen dicken Therapeuten stützt. Doch die Ammann-Autoren müssen ihren eigenen Weg aus der Krise finden.

CHRISTINA FELSCHEN