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Archiv-Artikel

Demo in Dschalalabad: „Tod Amerika“

Berichte über Demütigungen von Muslimen im US-Gefangenenlager Guantánamo lösen gewaltsame Proteste in Afghanistan aus, bei denen mindestens drei Menschen getötet werden. Präsident Karsai sieht Proteste als Beweis für die Demokratie

KABUL/BRÜSSEL afp/ap/dpa ■ Tausende Menschen in Afghanistan haben am Mittwoch zum Teil gewaltsam gegen angebliche Schändungen des Korans im US-Gefangenenlager Guantánamo protestiert. In der ostafghanischen Stadt Dschalalabad kamen nach Krankenhausangaben mindestens drei Demonstranten ums Leben, als die Polizei das Feuer eröffnete. 60 weitere Menschen seien verletzt worden.

Demonstranten zündeten nach Berichten von Polizisten und Augenzeugen das Gouverneursgebäude, Gebäude von Hilfsorganisationen sowie das pakistanische Konsulat an. Der britische Nachrichtensender BBC berichtet, auch Gebäude der Vereinten Nationen seien angegriffen worden. Ein Mitarbeiter einer Hilfsorganisation berichtete der BBC, durch die Straßen liefen Gruppen von Menschen auf der Suche nach Ausländern.

Nach Angaben eines Polizisten nahmen mindestens 5.000 Menschen an der Demonstration teil, „vielleicht 10.000“. Augenzeugen zufolge rief die Menge Sprüche wie „Tod für Amerika“; einige verbrannten Bilder von US-Präsident George W. Bush. Die Demonstration richtete sich auch gegen die Präsenz der rund 16.000 US-Soldaten.

In der südostafghanischen Stadt Chost reagierten rund 1.600 wütende Studenten mit Protesten auf die Berichte über Koranschändungen. Sie forderten, die Verantwortlichen vor ein islamisches Gericht zu stellen.

Die Proteste folgten auf einen Bericht des US-Nachrichtenmagazins Newsweek, demzufolge Verhörbeamte in Guantánamo Koranausgaben auf den Toiletten des Lagers ausgelegt hatten, um die mehrheitlich muslimischen Insassen des Lagers zu demütigen. Ein Vertreter des Außenministeriums in Washington sagte am Dienstag, das Verteidigungsministerium untersuche die Vorwürfe. Der Bericht hatte auch in Pakistan, das die USA im Antiterrorkampf unterstützt, Empörung ausgelöst.

Afghanistans Präsident Hamid Karsai reagierte auf die Proteste mit den Worten: „Afghanistan ist ein demokratisches Land.“ „Die Menschen können auf die Straße gehen und ihre Meinung sagen“, sagte Karsai gestern vor Journalisten nach einem Besuch in der Nato-Zentrale in Brüssel. „Aber die Ereignisse in Dschalalabad zeigen auch, dass die Polizei und die Armee noch nicht zum Eingreifen bereit sind. Sie haben einfach zugesehen, als das Büro des Provinzgouverneurs angezündet wurde.“

Die Nato und die internationale Gemeinschaft bat Karsai um eine Fortsetzung ihres Engagements in seinem Land über die Parlamentswahlen im September hinaus. Die unter Nato-Kommando stehende Internationale Schutztruppe für Afghanistan (Isaf) will ihr Engagement schrittweise auf das ganze Land ausdehnen, erinnerte Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer an die Beschlusslage. Nach Ausweitung des Einsatzgebietes vom Norden auch auf den Westen des Landes in diesem Frühjahr wolle Isaf bis Mitte 2006 auch im Osten und Süden Afghanistans präsent sein, sagte der Generalsekretär. Eine der Aufgaben der Isaf ist die Absicherung der Parlamentswahlen am 18. September.