„Der Senator guckt immer freundlich“

Nachdem Peter Gloystein einen Obdachlosen mit Sekt übergossen hat, fordern die Grünen den Rücktritt des CDU-Wirtschaftssenators. SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen hält Gloysteins Verhalten für „unerträglich“

bremen taz ■ Die Bilder sprechen eine eindeutige Sprache. Der Wirtschaftssenator gießt am Mittwochnachmittag aus einer Magnum-Flasche einen Schwall deutschen Winzersekts auf einen Obdachlosen – und das zur Eröffnung des Weinfestes auf dem Marktplatz. Keiner außer Gloystein weiß, was ihn dazu gebracht hat. Die Grünen haben einen Misstrauensantrag auf den Weg gebracht. So schnell wie möglich soll die Bürgerschaft nach ihrem Willen in einer Sondersitzung über das politische Schicksal des Wirtschaftssenators entscheiden. „Ich bedauere den Zwischenfall aufrichtig und habe mich bei Herrn Oelschläger entschuldigt“, erklärt der Senator.

Und das ist passiert: Der Obdachlose Udo Oelschläger taucht betrunken auf dem Weinfest auf, pöbelt, will Alkohol haben. Ein Augenzeuge steht zehn Meter von ihm entfernt: „Der Mann hat genervt, regelrecht gestört. Dann hat der Senator ihm den Sekt über den Kopf gekippt. Der Obdachlose war danach furchtbar sauer und wurde von Sicherheitsleuten abgeführt.“ Der Organisator des Weinfestes ruft die Polizei, die Gloystein befragt und die Strafanzeige des Obdachlosen aufnimmt.

Er habe dem Stadtstreicher den Sekt in den Mund schütten wollen, doch der Mann habe „den Kopf weggedreht“, erklärt Gloystein. Das Ausgießen des Sektes über dem Mann sei „bescheuert“ gewesen. Der Senator habe den Mann nicht herabwürdigen wollen, ergänzt Gloysteins Sprecher Klaus-Hubert Fugger. Warum Gloystein, nachdem er den Sekt ausgeschüttet hatte, auf Fotos breit grinsend zu sehen ist, kann Fugger sich nur so erklären: „Der Senator guckt immer freundlich“.

Nach dem Vorfall habe Gloystein lange mit dem Opfer gesprochen, Oelschläger habe seine Entschuldigung akzeptiert. Dabei soll der Wirtschaftssenator dem Mann auch seinen hochwertigen Kugelschreiber als Widergutmachung angeboten haben. Den habe der Obdachlose aber abgelehnt. Augenzeugen wollen dazu gesehen haben, dass Gloystein dem Mann Geld gegeben hat. Die Strafanzeige hat der Obdachlose nach Auskunft der Polizei auf jeden Fall noch nicht zurückgezogen.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen bezeichnet es als ungeheuerlich, dass der Wirtschaftssenator versucht habe „den Mann zu kaufen“. Das sei ein „einmaliger Vorgang“, erklärte Karoline Linnert.

SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen greift den Wirtschaftssenator scharf an: „Herr Gloystein hat sich sowohl durch sein persönliches Verhalten als auch durch sein politisches Agieren aus dem Konsens der Koalitionspartner verabschiedet. Er sollte daraus die Konsequenzen ziehen.“ Böhrnsen erklärt, dass Gloystein dem „Ansehen der Hansestadt schweren Schaden zugefügt“ habe. Ob die SPD den Antrag der Grünen stützt, ist bisher noch unklar, ebenso wie es mit der Koalition weiter geht.

Der Senat reagiert hingegen gelassen. Bürgermeister Henning Scherf (SPD) hat mit seinem Stellvertreter telefoniert, die beiden haben den Vorfall besprochen und sich verständigt. Rücktritt sei bisher kein Thema, teilt Senatssprecher Klaus Schloesser mit.

Die Grüne Fraktionschefin sieht das anders. Gloystein sei nicht mehr tragbar. Karoline Linnert bezeichnet seine Taten als „Selbstjustiz auf Wirtshausniveau“. Sie prangert an, dass Gloystein sich über die Würde eines Schwächeren hinweggesetzt habe. Der Wirtschaftssenator sei „berauscht von seiner vermeintlichen Bedeutung“, habe aber keine Ahnung von politischen Strukturen. Er richte Schaden in Bremen an. Linnert appelliert an CDU-Chef Bernd Neumann, zu überlegen, ob Gloystein noch der richtige Mann sei. Und was sagt Neumann? Schweigt. Sein Wirtschaftssenator will im Amt bleiben. Kay Müller