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Archiv-Artikel

„Die Menschen verrecken“

SZENISCHE LESUNG Das Schicksal von Flüchtlingen und Fischern, die ihnen helfen, kommt auf die Bühne

Von TDI
Heike Brunkhorst

■ 51, lebt in Italien, schreibt Theaterstücke und führt Regie.

taz: Frau Brunkhorst, „Europa lässt sterben“, sagen Sie – wen?

Heike Brunkhorst: Menschen, die aus bestimmten Nöten, sei es Krieg, Hunger oder Armut nach Europa wollen. Geraten ihre Flüchtlingsschiffe in Seenot, wird ihnen oft nicht geholfen – und die Menschen verrecken einfach.

Wie viele?

Seit 1988 gibt es laut „Fortress Europe“ 20.000 Tote. Wahrscheinlich sind es noch mehr.

Und Europa schaut zu.

Ja. Ich denke an die 77 eritreischen Flüchtlinge, die man auf dem Meer hat verrecken lassen. Manchmal werden die Menschen aber auch in ihre Heimatländer, Libyen etwa, zurückgeschickt – was ebenfalls einige das Leben kostet.

Und das bringen Sie nun auf die Bühne?

Ja. Es geht in diesem Stück um Fischer, die Flüchtlinge gerettet haben und wegen Beihilfe zu illegaler Einreise verklagt wurden. Diese Menschen sind in ein großes Unglück geraten. Sie haben ihre Schiffe und ihre Arbeit verloren, was sie körperlich und psychisch fertiggemacht hat. Dann gibt es einen Fall, wo ein Fischer keine Hilfe geleistet hat und den Flüchtling ins Meer zurückgestoßen hat. Auch dieser Fischer wurde von dem gleichen Gericht verklagt. Es sind sowohl italienische als auch tunesische Fischer.

Woher kommt das Material für Ihr Stück?

Für „Europa lässt sterben“ habe ich verschiedene Dokumentartexte verwendet. Diese stammen aus italienischen Zeitungen, aus dem Radio und von der Organisation „Borderline Europe“.

Was möchten Sie mit Ihrer Arbeit erreichen?

Ich finde es einfach nicht normal, dass im Jahr 2012 Menschen auf diese Weise sterben müssen, nur weil sie einen anderen Pass haben und nicht so privilegiert sind wie wir. Flüchtlinge sind gezwungen illegal zu reisen, das ist nicht zeitgemäß. Ich möchte die Leute dafür sensibilisieren.

INTERVIEW: TDI

„Europa lässt sterben“: 20 Uhr, Speicherbühne, Am Speicher XI 4.1