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Archiv-Artikel

Tausendundein Transit

HIPPEN EMPFIEHLT: „Ein Augenblick Freiheit“ von Arash T. Riah erzählt von der Zwischenwelt iranischer Flüchtlinge in der Türkei

Man mag es bei der Schwere und politischen Brisanz des Stoffes kaum schreiben, aber dies ist auch ein sehr unterhaltsamer Film

von Wilfried Hippen

Dass sein Film jetzt gerade wieder so aktuell sein würde, macht den aus dem Iran stammenden Regisseur Arash T. Riah bestimmt nicht froh. Wenn „Ein Augenblick Freiheit“ mit der standrechtlichen Erschießung iranischer Oppositioneller beginnt, denkt man natürlich an die Gerichtsverfahren, mit denen das Regime in diesen Tagen die Proteste gegen das Wahlergebnis endgültig zu eliminieren versucht. Und sicher werden genau wie im Film auch jetzt wieder viele Flüchtlinge über die Grenze zur Türkei ihr Land verlassen, weil sie um ihr Leben fürchten und in Freiheit leben wollen. Diesen Grenzverkehr gibt es schon seit vielen Jahren.

Die Eltern des Regisseurs, der 1972 im Iran geboren ist und seit 1983 in Österreich lebt, etwa mussten fluchtartig das Land verlassen, nachdem sie als linke Intellektuelle verraten wurden.Von solch einer Grenzüberquerung durch eisige Gebirgslandschaften, bei denen jederzeit die Entdeckung und Erschießung durch Revolutionswächter droht, erzählt Riah sehr intensiv und authentisch im ersten Akt seines Debütfilms. Aber nach den ersten zwanzig Minuten kommt die kleine Gruppe von Flüchtlingen in Ankara an, wo sie zusammen mit anderen Asylanten in einem schäbigen Hotel leben und versuchen, über die UNO Ausreisegenehmigungen in westliche Länder zu bekommen. Und dieses zermürbende Warten steht im Mittelpunkt des Dramas, in dem sich Riah auf die Bewohner des Hotels konzentriert, wodurch er eine räumliche Einheit schafft, die die von der Stimmung her ganz unterschiedlichen Episoden des Films geschickt zusammenhält.

So kann die tragische Geschichte des Ehepaars Lale und Hassan erzählt werden, die mit ihrem Sohn Kian langsam ins materielle und seelische Elend abrutschen und immer verzweifelter versuchen, als Asylanten anerkannt zu werden. Die beiden jungen Freunde Ali und Merdad, die versuchen, die beiden Kinder von Alis Nichte in den Westen zu schmuggeln, sehen die Flucht dagegen eher als ein großes Abenteuer an, bei dem zwar die Gefangennahme und Folter durch den iranischen Geheimdienst drohen, man aber auch endlich mal jungen Mädchen nachschauen kann und sich sogar die Chance für eine kleine Liebschaft mit einer schönen Menschenrechtsaktivistin bietet. Für komische Verwicklungen sorgt schließlich der kurdische Luftikus Manu, der Briefe mit Lügengeschichten in sein nordirakisches Dorf schickt und der sein Zimmer mit dem schwermütigen Aktivisten Abbas teilt.

Man mag es bei der Schwere und politischen Brisanz des Stoffes kaum schreiben, aber dies ist auch ein sehr unterhaltsamer Film. Denn Riah ist ein guter Dramatiker, der die verschiedenen Stimmungen und Bögen seiner Erzählstränge so virtuos verwebt, dass man immer wieder neu berührt, überrascht und in Spannung gehalten wird. Und bei all der brillanten Fabulierkunst wirkt doch alles sehr authentisch. Denn Riah erzählt auch immer autobiografisch.

Und so trifft er bei der Inszenierung immer den richtigen Ton. Das Emotionale wird nie rührselig, die Brutalität nie zum Spektakel, der Witz banalisiert nie die tragische Situation, sondern hilft dabei, sie ertragen zu können. Und bei dem knappen Dutzend Filmfiguren, von denen keine durch das Drehbuch oder die Kamera bevorzugt wird, ist es erstaunlich, wie präzise und komplex jede einzelne gezeichnet wird. Bei der Fülle an Geschichten und Schicksalen schafft Riah auch noch Raum für Momente, in denen er eine Figur und zugleich auch den Zuschauer zur Ruhe kommen lässt. Dies zeugt von jenem Gefühl für Rhythmus, das einen guten Geschichtenerzähler auszeichnet.