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Archiv-Artikel

„Eltern schämen sich dafür“

TAGUNG FAMILIEN(GEWALT) In Fällen von Familiengewalt haben Opfer und Täter, aber auch die Helfer Angst

Von TDI
Ralf Slüter

■ 49, Psychotherapeut, Leiter des Kinderschutzzentrums Harburg.

taz: Herr Slüter, wann haben Helfer Angst vor Familien, die sie betreuen?

Ralf Slüter: Wenn ich etwas übersehe, zu früh handele oder zu spät, dann kann das in Kinderschutz-Fällen ein Fehler sein, der schnell in der Zeitung steht oder sogar zu Gerichtsverfahren führt. Helfer haben dann das Gefühl, in Familien eingegriffen und schlimme Dinge gemacht zu haben. Im Kinderschutz bestimmen wir immer ein bisschen mit über Wohl und Wehe von Kindern und Eltern.

Was für Fälle sind das?

Zum Beispiel, wenn man aufgrund eines vermuteten sexuellen Missbrauchs eine Inobhutnahme des Kindes veranlasst und es stellt sich heraus, dass da nichts gewesen war.

Wie häufig sind solche Fälle?

Im Jugendamt steht man oft vor solchen Fragen. Dort wird immer abgewogen: Elternrecht gegen Kindeswohl. Eine Trennung von den Eltern bedeutet eine zweite Traumatisierung für das Kind und die Frage ist: Was ist schlimmer? Das sind die Fälle, die man mit nach Hause nimmt und schlecht schläft.

Und die Familien haben Angst vor den Helfern?

Ja. Gewalt entsteht in Überforderungssituationen und die Eltern schämen sich meist dafür. Die Vorstellung, das eigene Kind nicht vor sich selbst schützen zu können, ist für viele dramatisch. Ich bin als Therapeut für die gesamte Familie zuständig.

An wen richtet sich der Kongress in Bremen?

An alle Fachleute, die in der Jugend- und Familienhilfe arbeiten. Ich finde diese Tagung super. Durch die tägliche Belastung wird man müde und brodelt in seinem eigenen Saft. Der Austausch mit Kollegen aus anderen Städten bringt neue Ideen und Impulse. Im Bereich der Jugendhilfe steht das, was zu tun ist, in keinem Buch. Man muss sich verständigen und diskutieren. Interview: TDI

„Familien(Gewalten)“: Do, ab 9.30 Uhr, Fr, ab 9.00 Uhr; Konsul Hackfeld Haus, Birkenstr. 34