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Archiv-Artikel

Senator, zu einem Scherz aufgelegt

An Anstand hat es ihm nicht gefehlt, sonst wäre er nicht so schnell nach dem Vorfall zurückgetreten. Auch war es mit Sicherheit kein böser Wille, dass Peter Gloystein (CDU) am Mittwochabend bei einer öffentlichen Veranstaltung einen Obdachlosen in demütigender Weise vom Podium herab mit Sekt begoss. Und höchstens wer ihn nicht kennt, vermutet, der nunmehr Exwirtschafts-, -häfen- und -kultursenator der Freien Hansestadt Bremen sei bei seiner Tat zugekokst gewesen.

Nein, er wird lediglich einmal einen Scherz versucht haben, der 59-Jährige, dessen auffälligstes äußeres Merkmal noch sein stets korrekt sitzender Anzug nebst Einstecktuch war. Endlich einmal locker wirken, nicht wie ein farbloser leitender Bankangestellter, sondern ein bisschen wie ein Macher, der spontan Akzente setzt. Schließlich war der Reserveleutnant zu diesem Zeitpunkt schon fast neun Monate der zweite Mann im rot-schwarz regierten Zwergenstaat.

Der Wechsel des ehemaligen Bankvorstandssprechers in die Bremer Landespolitik hatte im Spätsommer 2004 auch in Frankfurt für Überraschung gesorgt. „Wie es sich für einen Banker alter Prägung gehört“, berichtete die FAZ damals wohlwollend, „drängte es ihn nie in den Vordergrund.“ Ihm fehlte dafür allerdings auch jedes Talent, wie sich in Bremen schnell zeigte: Festzuhalten blieben ungeschickte Auftritte in der Öffentlichkeit, stotternd und haspelnd vorgetragene Reden in der Bürgerschaft. Eigene Akzente? Fehlanzeige.

In der Behörde wurde schon bald über die neue Spitze gelästert: „Der sitzt da in seinem Zimmer, denkt sich etwas aus und verkündet es dann irgendwo“, sagte ein Mitarbeiter im Februar. „Wir erfahren das dann am nächsten Tag aus der Presse.“ Kommunikationsmangel, den spätestens zu Wochenbeginn Gloysteins Kabinettskollegen und Parteifreunde feststellen mussten: Da präsentierte er, ohne vorherige Absprache, ein umfangreiches regionalwirtschaftliches Programm – inklusive Steuersenkungs- und Privatisierungsplänen. Kühl bewertete der Senat den Vorstoß als bloßen „Diskussionsbeitrag“. Und nüchtern zollte Präsident Henning Scherf (SPD) dem Rücktritt seines Stellvertreters vier Tage später „Respekt“. Peter Gloysteins politische Karriere endet, weil er endlich auch einmal einen Akzent setzen wollte.BENNO SCHIRRMEISTER

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