: Gestimmter Gesang
Was genau war noch einmal ein Ton? Im Grunde bloß schwingende Luft – was als Antwort so zutreffend wie unbestimmt ist. Wenn man derart grundsätzlich an die Sache rangeht, landet man irgendwann schließlich bei der Frage, wie es mit den Schwingungen im Einzelnen aussieht. Regelmäßig müssen sie sein, denn erst dann hat man eine bestimmte Frequenz, die als Ton gelten kann, und sobald man mehrere Frequenzen aneinanderreiht, kann man ein Ergebnis wie „Stille Nacht“ oder eine Beethoven-Symphonie bekommen.
So weit, so gut, doch man könnte weiter fragen, ob die Frequenzen, wie sie etwa auf einem handelsüblichen Klavier zu haben sind, eigentlich vom lieben Gott oder von der Natur gemacht sind. Arabische oder asiatische Tonleitern zum Beispiel klingen deutlich anders als hiesige, und auch die Töne auf unserem Klavier würden heute vielleicht anders klingen, wäre nicht ein Komponist wie Johann Sebastian Bach dahergekommen und hätte gesagt: Die Abstände zwischen den Tasten müssen am besten alle gleich groß sein, denn dann kann man auch in allen möglichen Tonleitern spielen.
Vor Bach ging das nicht. Denn da hielt man sich mehr an die Physik, und die Töne, die dort als harmonisch gelten, sind untereinander zwar geordnet, aber keinesfalls alle untereinander gleich. Dass es überhaupt so weit kommen konnte, dass sich Bach mit dem „wohltemperierten Klavier“ durchsetzte, ist für Komponisten wie den Amerikaner La Monte Young ein Graus. Wäre es nach ihm gegangen, hätte man die Töne nicht zwangsbegradigt, sondern wäre bei der Physik geblieben.
La Monte Young kennt man eigentlich als Mitbegründer des Minimalismus, der lange Töne bevorzugt, die auch schon mal über Stunden gehalten werden. Sein „Well-tuned Piano“, der Gegenentwurf zu Bach mit sogenannter „reiner Stimmung“, dauert schlappe sechs Stunden. Das vorangehende Umstimmen und anschließende Zurückstimmen des Klaviers nicht eingerechnet.
Nimmt man hingegen das körpereigene Instrument, die Stimme, zu Hilfe, braucht man nichts weiter als gute Ohren, um die richtigen, also die reinen Töne zu treffen, und genau das tun La Monte Young und sein Just Alap Raga Ensemble, mit dem er im Rahmen von MaerzMusik ein paar sehr seltene Konzerte spielen wird.
Ob die reinen und sehr, sehr langen Töne am Ende eine inspirierende Sache sein werden oder in der Theorie besser funktionieren als auf der Bühne – all das kann man dann bei den Konzerten in aller Ruhe selbst erkunden. TIM CASPAR BOEHME
■ La Monte Young, 19., 24.+ 31. März, 20 Uhr, Villa Elisabeth