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Jasmin Ramadan Einfach gesagtDie Pointe der Macht

Treffen sich zwei mächtige Politiker …“, sagt der Freund. Da haut die Freundin mit der Hand auf den Bistrotisch:

„Stopp, darüber macht man keine Witze!“

„Wer sagt, dass ich einen Witz erzählen wollte?“

„Na, so fängt es immer an, oder?“

„Die Frage ist, wie endet es?“

„Glaub’, einer sagt immer ab, wenn es interessant werden könnte.“

„Und dann geht es wieder von vorne los.“

„Es endet nie.“

„Aber wie soll es denn enden?“

„Und womit?“

„Weltfrieden.“

„Utopie ultra.“

„Na, da müsste die Menschheit vorher im Ganzen verglühen.“

„Was soll das eigentlich bringen, an einem Tisch zu sitzen?“

„Anachronistisch zu Homeoffice.“

„Wessen Tisch ist die Frage.“

„Wegen der Füße drunter?“

„Das Patriarchat nimmt Platz.“

„Und schaut sich tief in die Augen.“

„Tischtreffen machen den Kohl nicht fett.“

„Aber wo sollen die sich einigen? Bei Signal?“

„Über welchen Konfliktherd reden wir?“

„Politische Konflikte sind keine Krankheit, sondern eine gemachte Sache.“

„Patentrezepte Schüsse in den Ofen.“

„Falls das Ziel klar ist, könnte man schon was unternehmen.“

„Ganz klar Frieden, oder?“

„In welcher Welt lebst du denn?“

„Niemand will einfach bloß Frieden ohne die Rosinen.“

„Nur wenn alle an einem Strang ziehen, kommt was dabei rum.“

„Macht.“

„Okay, bei dem Strang nix.“

„Wenig kompatibel mit Gerechtigkeit.“

„Was ist denn gerecht?“

„Niemals der Tod.“

„Für einige ist der Tod der anderen gerecht.“

„Seelenlose Logik.“

„Was ist Seele?“

„Das Gewissen?“

„Das Gewissen stirbt zuletzt.“

„Nee, zuerst, sonst könnte es ja gar keinen Krieg geben.“

„Das Gewissen wird ausgelagert.“

„Wohin denn?“

„Auf Bühnen in weiter Ferne, in Wohnküchen aller Art, weltweit nach Social Media.“

„Stellvertretergewissen überall.“

„Weit weg der Felder.“

„Was soll man sonst tun gegen die gefühlte Machtlosigkeit?“

„Ist die nur gefühlt?“

„Was kannst du tun gegen die machtgeilen Schlächter auf allen Seiten?“

„Gefühlt nix.“

„Deine Wut performen?“

„Irgendetwas anderes kontrollieren?“

„Sprache?“

„Na, mit Humor kommt man da auf jeden Fall nicht weiter.“

„Ich wollte eigentlich einen Witz erzählen.“

„Dann erzähl ihn jetzt.“

Foto: Roberta Sant‘anna

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. 2023 ist ihr Roman „Auf Wiedersehen“ bei Weissbooks erschienen. 2020 war sie für den Bachmann-Preis nominiert.In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.

„Nein, jetzt bin ich moralisch erschöpft und verunsichert.“

„Warum wirken Obermächtige oft bizarr ­komisch?“

„Weil sie sich selber so ernst nehmen.“

„Auf dem höchsten Punkt kippt alles um.“

„In ihrer Eindimensionalität wirken sie unmenschlich, fast fiktional.“

„Wie Comicbösewichte.“

„Aus der Hölle der Realität.“

„Könnte das eindimensional Gute die Welt retten?“

„Zu lasch.“

„Katzenvideos for Weltfrieden?“

„Glaub’, das wahrhaftig Gute sitzt rum, denkt über alles nach, versucht alle Seiten zu verstehen, kommt nie zum Schluss und nicht ins Handeln.“

„Das in sich Gute weiß, dass es nicht nur eine Wahrheit gibt, richtig und falsch nicht immer klar verlaufende Linien haben.“

„Das wahrhaftig Böse ist schlicht und deshalb handlungsfähig.“

„Treffen sich zwei mächtige Politiker und erschießen sich gegenseitig.“

„Das ist die Pointe?“

„Warum nicht?“

„Gibt es eine Alternative?“

„Treffen sich zwei mächtige Politiker und ­gucken zusammen Katzenvideos.“

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