berliner szenen: Ohne Koffeinim Blut
Ich denke an Iggy Pop, während ich die Neue Blumenstraße Richtung Jannowitzbrücke an einem sonnigen Morgen entlanglaufe. Mit dem Fernsehturm im Hintergrund gehe ich an Wäsche, die in den Hinterhöfen der Plattenbauten auf Leinen hängt, an Baustellen und Discountern vorbei, ohne an anderes denken zu können. Ich sehe Iggy vor meinen Augen – als Kaffee-Zombie im Jim-Jarmusch-Film „The Dead Don’t Die“. Er irrt halb durch die Gegend – wie Zombies es eben tun – und ruft mit seiner unverwechselbaren Stimme: „Kaffee, Kaffee!“ Es ist meine eigene Verzweiflung nach Koffein, die mich an diese Figur erinnert. Seit einer Stunde bin ich wach und habe noch keinen Tropfen davon getrunken.
Nachdem wir spontan entschieden haben, bei unserer Freundin zu übernachten, teilte sie uns mit, dass sie nur Tee habe. Kurz überlegten wir, doch noch ein Taxi zurück nach Neukölln zu bestellen, ließen uns dann aber überzeugen. Es war ein wunderschöner Abend – mit Pasta und Musik, Gesprächen und Zigaretten auf dem Balkon, während der Halbmond vor uns stand. Unsere Freundin zeigte uns ihre kleinen Schätze, in winzigen Schachteln aufbewahrt. Doch den Tag ohne Kaffee zu beginnen, ist hart für mich. Trotz Wärmflasche und gemütlichem Bett wache ich früh auf, bevor mein Wecker klingelt. Ich hinterlasse den beiden einen Zettel auf dem Küchentisch und verlasse das Haus so schnell wie möglich.
An der Station Jannowitzbrücke hole ich mir einen Americano aus der Maschine und trinke ihn mit Blick auf die Spree. Der Kaffee-Zombie in mir beruhigt sich, und ich kann die Sonne genießen, bevor ich in die U-Bahn steige. Später schicken mir die Freundinnen ein Selfie mit einer Packung Espresso. „Sorry! Das wird nie wieder vorkommen“, steht darunter – worauf ich mit vielen Herzen reagiere.
Luciana Ferrando
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