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Wie bei einem Spießrutenlauf

Ein Schwarzer Besucher der Neuen Nationalgalerie wird unfreundlich behandelt. Nur ein Missverständnis?

Von Marina Mai

Ein Afrobrasilianer wurde bei einem Besuch der Neuen Nationalgalerie nach eigenen Angaben vom Wachpersonal rassistisch diskriminiert. Die dort tätige Sicherheitsfirma Dussmann hingegen weist den Rassismusvorwurf entschieden zurück. Was ist geschehen?

Osvaldo Andrade und seine Partnerin Julia Dittmann besuchten die interaktive Yoko-Ono-Ausstellung. Etwa 20 Minuten vor der Schließung um 18 Uhr, so Andrade, habe er sich an einen Tisch gesetzt, um gemäß der Ausstellungskonzeption ein Keramikbild aus Scherben zu gestalten. „Am Tisch saßen schon drei Personen“, sagt er der taz. Um 17.45 Uhr, so das Paar, hätte es eine Durchsage gegeben, dass das Haus in wenigen Minuten schließen würde und die Gäste ihren Besuch dann bitte beenden sollten. Unmittelbar darauf hätte ein Mann des Wachpersonals am Stuhl des Afrobrasilianers gestanden und ihn mehrfach aufgefordert: „Schluss! Alle müssen raus!“

Andrade: „Ich habe den Ton, in dem er mit mir sprach als sehr aggressiv empfunden. Der Mann kam mir körperlich sehr nah. Ich habe entgegnet, ich brauche noch wenige Minuten, um die Arbeit zu beenden.“ Der taz gegenüber sagt Andrade, er habe dem Wachmann gegenüber gesagt, er fände seinen Umgang mit ihm sehr unfreundlich und rassistisch.

Ein Sprecher der Firma Dussmann spricht von einem Missverständnis: „Die vom Mitarbeitenden ausgesprochene Aufforderung zum Verlassen des Museums richtete sich nicht an eine bestimmte Person, sondern an alle Anwesenden. Der Besucher empfand diese Aufforderung augenscheinlich als persönlich an ihn adressiert und daher seiner Meinung nach als rassistisch, diskriminierend“, sagt er der taz. Der Mann und seine Partnerin seien dann sehr laut geworden, so der Dussmann-Sprecher.

Danach eskalierte die Situation ein zweites Mal. Nach Angaben der Firma Dussmann versammelten sich „wie üblich“ alle Sicherheitsleute für die Tagesübergabe am Ausgang. Sie hatten sich in einer Reihe aufgestellt, an der vorbei, wie die Familie und Colette N. schilderten, der Brasilianer und seine Partnerin auf dem Weg zum Ausgang vorbeigehen mussten wie bei einem Spießrutenlauf. Andrade: „Die Situation war bedrohlich, ich dachte, ein Mann geht sofort auf mich los. Meine Partnerin hat sich schützend zwischen mich und einen Sicherheitsmann gestellt.“ Doch damit hatte auch seine Partnerin Angst, von Gewalt bedroht zu sein, schildert sie der taz. Sie räumt ein, sehr laut geworden zu sein. „Ich dachte, es kommt jeden Moment zu Handgreiflichkeiten.“

Ein Dussmann-Sprecher stellt es anders dar: Seine Mitarbeiter hätten auf einen ruhigen Ton und den angemessenen körperlichen Abstand geachtet, sagt er. Laut sei hingegen die Familie gewesen. „In der Neuen Nationalgalerie arbeiten Dussmann-Sicherheitskräfte aus 13 verschiedenen Nationen. Auch der betreffende Mitarbeitende hat einen Migrationshintergrund.“ Der Rassismus-Vorwurf hätte ihn demzufolge überrascht.Mehr auf taz.de/berlin

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