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„Alerta!“ im Audimax

Die linke „Streikkonferenz“ am Wochenende an der TU Berlin war überlaufen. Großen Andrang gab es bei Veranstaltungen mit den neuen Bundestagsabgeordneten der Linken

Von Daniel Bax

„Alerta, alerta, antifascista“, hallt es Ines Schwerdtner von den Rängen des mit mehr als 1.200 Menschen überfüllten Audimax der Technischen Universität Berlin entgegen. Gerade hatte die Linken-Vorsitzende erzählt, wie es ist, mit ihrer Fraktion im Bundestag dem Block der AfD gegenüberzusitzen. Das seien „150 Nazis“, sagt Schwerdtner. Doch statt die Stärke der AfD zu skandalisieren, hätten sich die Union und Teile der Medien lieber darüber erregt, dass die neue Linksfraktion beim Gruppenbild den antifaschistischen Schlachtruf gerufen habe. Das versteht das Publikum als Signal, ihn zu rhythmischem Händeklatschen anzustimmen.

Die Abendveranstaltung am Freitag im Audimax der TU bildete den Auftakt zur dreitägigen Konferenz „Gegenmacht im Gegenwind“. Die „Streikkonferenz“ zur „gewerkschaftlichen Erneuerung“ ist die größte Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung, zur sechsten Ausgabe feiert sie einen Besucherrekord. Weit mehr als 2.000 Teilnehmende irren am Wochenende durch die Gänge und über das weitflächige Gelände der TU auf der Suche nach einer der vielen Veranstaltungen, von denen oft mehr als ein Dutzend parallel in einem der Seminarräume und Hörsäle stattfinden.

Beim großen „Auftaktpodium“ im Audimax geht es um den „Rechtsruck in Betrieb und Gesellschaft.“ Der Politologe Gerd Wiegel, Referatsleiter beim DGB, stellt anhand einer Power-Point-Präsentation dar, dass die AfD unter Arbeitern inzwischen die populärste Partei ist. Selbst unter Gewerkschaftsmitgliedern erhält sie überdurchschnittlich Zuspruch.

Diese Rechtsverschiebung hat viele Facetten. Marc Seeger, Betriebsrat der IG Metall bei VW in Braunschweig, beschreibt, wie der rechtsextreme Verein „Zentrum“ versucht, sich als „alternative Gewerkschaft“ in den Betrieben breitzumachen. Die Verdi-Gewerkschaftssekretärin Lisa Baumeister berichtet, wie sich AfD-Funktionäre in Brandenburg an Streiks und anderen Arbeitskämpfen beteiligten. Das könne man gar nicht vermeiden, die Leute nicht ausschließen. Aber es sei wichtig, „in den Konflikt“ zu gehen und zu versuchen, die Leute zu überzeugen.

Ines Schwerdtner benennt materielle Unsicherheit sowie „die Mischung aus Militarisierung und Sozialabbau“ als idealen „Nährboden für rechts“. Dagegen helfe nur, diese Sorgen zu adressieren. Die Parole „Mietendeckel ist Antifaschismus“ sei zwar etwas plump, räumt sie ein. Aber dennoch sei da etwas dran, befand die Linken-Vorsitzende.

Sozialabbau, Aufrüstung, rechte Gefahr: diese Themen ziehen sich wie ein roter Faden an den drei Tagen durch die über 80 Seminare, Workshops und „Branchentreffen“. Im Mathematikgebäude der TU haben mehrere linke Kleinverlage ihre Stände aufgestellt, an denen ihre Bücher und Broschüren ausliegen. Das Publikum ist eine Mischung aus Gewerkschaftlern, anderen Engagierten und Studierenden.

Besonders viel Andrang gibt es bei den Veranstaltungen mit den neuen Abgeordneten der Linken im Bundestag. Als der kalifornische Aktivist Keith Bower Brown vom Magazin Labor Notes über „die Erneuerung der US-Gewerkschaften“ referiert, ist der Hörsaal überfüllt. Die 37-jährige Violetta Bock aus Hessen, die ihn vorstellt, bekommt bereits Applaus, als sie sich nur als „eine der neuen Abgeordneten im Bundestag“ vorstellt.

Am Samstagabend muss Cem Ince sogar Leute wegschicken, weil der Seminarraum aus allen Nähten platzt, in dem er mit den Referentinnen Ingar Solty und Judith Dellheim von der Rosa-Luxemburg-Stiftung über „Zeitenwende und Kriegsgefahr“ sprechen will. Der 31-Jährige war lange Betriebsrat bei VW im niedersächsischen Salzgitter und sitzt jetzt für die Linke im Bundestag.

„Ich bin beeindruckt“, sagt Ince anschließend. „So viele Leute. Diesen Druck müssen wir auf die Straßen bringen“. Und: auch seine Partei brauche den „Druck von unten“.

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