: Die Luxus-Krise
Rolex, Champagner, Haute Couture: Die Wirtschaftskrise trifft nicht nur Escada. Für die Luxusbranche gilt dennoch: Exklusivität bringt Erfolg
BERLIN taz | Escada ist kein Einzelfall. Auch in anderen Bereichen der internationalen Luxusindustrie, die traditionell weniger krisenanfällig ist als der Rest der Wirtschaft, gibt es große Umsatz- und Gewinneinbrüche. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Markenverbandes und der Wirtschaftsberatungsgesellschaft KPMG, die Ende Juli veröffentlicht wurde. Demnach ist der weltweite Luxusmarkt im Jahr 2008 nur noch um zwei Prozent auf insgesamt 275 Milliarden Dollar gewachsen, im Vorjahr hatte das Wachstum noch 6,5 Prozent betragen.
Das Motto „Teuer geht immer“, das die Luxusbranche bislang charakterisierte, scheint sich in der momentanen Wirtschaftskrise nicht zu bestätigen und bringt viele internationale Luxusmarken in Schwierigkeiten. Die solide Schweizer Uhrenindustrie beispielsweise meldete jüngst die größten Umsatzeinbrüche seit 20 Jahren, die insbesondere Rolex, den Luxusstar unter den Zeitmessern, betreffen. Das Pariser Haute-Couture-Haus Christian Lacroix kämpft ums Überleben und Chanel sah sich bei einer Wachstumsrate von null Prozent bereits Ende des vergangenen Jahres dazu gezwungen, 200 Mitarbeiter mit befristeten Verträgen zu entlassen. Der Schmucklieferant Bulgari verzeichnete im ersten Quartal 2009 Umsatzeinbußen von 23 Prozent, die Champagnerumsätze gingen weltweit um 22 Prozent zurück. Und auch der World Luxury Index, der vierteljährlich die Entwicklung der 20 größten Luxusgüterhersteller an der Börse misst, signalisiert: Es geht bergab in der Welt der Reichen und Schönen, 16 Prozent verlor der Index im Vergleich zum Vorjahr an Wert.
Die Beispiele zeigen: Nicht ein bestimmter Zweig der teuren Branche ist betroffen, die Krise erreicht das ganze Luxussegment. Dabei sei sie allerdings eher Katalysator als eigentliche Ursache, sagt Markus Pfeiffer, Partner der Unternehmensberatung Vivaldi GmbH. „Interessant ist, dass sich oft gerade Marken mit extrem hohen Preisen gut halten. Die Käufer möchten sich immer noch etwas gönnen – aber abseits des Mainstreams à la Gucci oder Prada“, sagt Pfeiffer. „Sie möchten etwas Besonderes, Einzigartiges für ihr Geld haben – und greifen dafür sogar noch tiefer in die Tasche.“ Deshalb seien es oft gerade die Anbieter von „luxuriöser, aber eher preiswerter Massenware“, die besonders von der Krise betroffen seien. Als Autor der Luxury Brands Study, die im August 2009 erscheinen soll, ist Pfeiffer daher davon überzeugt, dass einige der negativen Entwicklungen auf dem Luxusmarkt auch einem unflexiblen, kreativlosen Management mancher Marken geschuldet seien. „Bereits vor der Krise hat bei der Kundschaft eine Werteveränderung stattgefunden, die sich jetzt allerdings zuspitzt. Das Demonstrative, das Label Show-off, kommt gerade zu wirtschaftlich schwachen Zeiten nicht an, weil es gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert ist“, sagt Pfeiffer.
Auch in der Luxusmarktstudie der KPMG ist die Rede von einem Wertewandel unter den Luxusliebhabern der westlichen Welt, die die Anpassungsfähigkeit der Anbieter von Luxuswaren vor besondere Herausforderungen stellt. „15.000 Euro für eine Tasche von Hermès: Das ist wie ein Oldtimer, den garantiert sonst niemand hat. Dafür zahlen die Menschen trotz Krise noch Geld“, sagt Pfeiffer. Demnach müsse individuellere Ware her, Markenartikel mit Geschichte. Viele Luxusmarken reagieren auf den veränderten Luxusbegriff immer noch mit Unverständnis, sagt Pfeiffer. Eine signifikante Anzahl von Luxusgüterherstellern habe sogar ihre Produktion auf eine breitere Basis umgestellt und nicht auf Exklusivität gesetzt.
ANNA MAUERSBERGER