wortwechsel: Schlechter Tag für das Völkerrecht durch Orbán
Auch Deutschland müsste eigentlich den Haftbefehl an Netanjahu vollstrecken.Und: Was macht unser Gehirn nach dem Herztod? Was sind Nahtoderfahrungen?

Internationaler Strafgerichtshof und Netanjahu
taz vom 17. 4. 25
Netanjahu in Ungarn
In der deutschen Presse wird dieser Besuch meist mit verwerflich beschrieben. Gegen Netanjahu besteht ein Haftbefehl des internationalen Gerichtshofes wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wegen Kriegsverbrechen und wegen des Bruchs des Völkerrechts in Gaza. Diese entgrenzte Kriegsführung Netanjahus (verkauft als Selbstverteidigungsrecht) sollte nicht zu freundlichen Empfängen führen. In den entsprechenden Artikeln fehlt aber meist der Hinweis, dass unsere Regierung Israels Kriegsführung mit Waffenlieferungen stützt. Ein deutscher Waffenlieferstopp würde Netanjahu vielleicht zum Nachdenken anregen, ob er so weitermachen will.
Werner Meyer, Lübeck
Eklatante Missachtung
Der Empfang Benjamin Netanjahus durch Viktor Orbán war ein schlechter Tag für das Völkerrecht, bedeutet er doch eine eklatante Missachtung des Internationalen Strafgerichtshofs. Dessen Haftbefehle – auch wenn sie sich gegen den israelischen Ministerpräsidenten richten – müssen vollstreckt werden. Sie dürfen keinesfalls aus diplomatischer Rücksichtnahme oder politischer Opportunität ausgesetzt werden und schon gar nicht, wenn sie aufgrund klarer Anhaltspunkte für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erlassen wurden. Auch viele international renommierte Völkerrechtler stimmen dieser Einschätzung zu. Insofern müsste auch die neue Bundesregierung den Haftbefehl gegen Netanjahu vollstrecken. Alles andere wäre ein schwerwiegender Verstoß gegen nationales und internationales Recht und käme einer Strafvereitelung gleich. Gerade auch mit dem aktuellen Blick auf die USA darf das Rechtsstaatsprinzip nicht infrage gestellt werden – es ist unser höchstes demokratisches Gut, das mit allen Mitteln verteidigt werden muss.
Georg Stein, Heidelberg
„Dem Tod so nah“ und „Ein neuronaler Tsunami“
wochentaz vom 19. 4. 25
Unsterblichkeit der Seele
Wer Nahtoderfahrungen und das Leben nach dem Tod ernst nimmt, wird sich auch mit der Unsterblichkeit der Seele und sogar mit dem Leben vor der Geburt beschäftigen. Auch Reinkarnation wird dann klar. Dies krempelt das eigene westlich geprägte Weltbild um. Wer weiß, dass er oder sie wiedergeboren werden kann, wird mit der Erde und den Mitmenschen vermutlich etwas besser umgehen. Das rücksichtslose Motto „Nach uns die Sintflut“ verwandelt sich dann in: Vor uns die Wiedergeburt. Ich habe mich damit mehr als zwei Jahrzehnte beschäftigt und es hat mich zuerst fast aus der Bahn geworfen und dann fasziniert. Die Erinnerungen der Wiederbelebten sind von Elisabeth Kübler-Ross und Alexa Kriele gut erforscht worden. Egoismus kann sich niemand angesichts der Wiederverkörperung leisten. Es ist nur vielen noch nicht klar.
Arno Schelle, Fredelsloh
Es bleiben Fragen zu Gehirntätigkeit
Das waren sehr interessante und berührende Schilderungen sowie Erkenntnisse über die Tätigkeit unseres Gehirns nach dem Herztod (was im Übrigen auch in der Debatte über Organspende berücksichtigt werden sollte!). Dennoch bleiben ein – bisher unerklärlicher – Rest und Fragen, die sich stellen. Zum Beispiel die danach, weshalb das Gehirn das so macht? Was hat es für einen evolutionsbiologischen Vorteil, wenn der*die Gehirninhaber*in ja dann eh stirbt (in den meisten Fällen)? Weshalb berichten nicht alle davon, die „wiederkommen“ nach einem lebensbedrohlichen Erlebnis durch Unfall, Gewalt, Krankheit? Weshalb sehen im Sterben liegende Menschen Dinge, die sie von dort aus gar nicht sehen können (so wie Frau Ates berichtet)? Herr Brandstädter schreibt im Artikel von einem Schockraum im Krankenhaus, der mit ungewöhnlichen Dingen dekoriert gewesen sei und niemand habe diese ungewöhnlichen Dinge gesehen … Als Psychologin und Psychotherapeutin konnte ich selbst mit Kommiliton*innen im Experimentalpraktikum im Studium nachweisen, dass es „Blindheit durch Nicht-Aufmerksamkeit“ gibt: Damals sehen 98 Prozent nicht die auch eingeblendeten Symbole. Und ich hatte in meiner Therapiestunde einen Patienten mit Nahtoderlebnis, der von der Decke auf eine Lampe von oben blickte und eine Art Aufkleber mit einer Nummer beschrieb. Mmmh. Das Problem ist, dass solche Phänomene nicht im RCT-Studien-Format durchgeführt werden können – aus naheliegenden Gründen. RCT (randomized controlled trial).
Letztlich bleibt’s (immer noch) dabei, dass wir wissen, dass wir nicht wissen.
Anke Hofmann, Sasbach
Erklärungsmodell Nahtoderfahrung
Für diesen Artikel wurde offenbar keine sorgfältige Recherche durchgeführt. Sogar bei Wikipedia [Nahtoderfahrung] kann man nachlesen, dass gleichartige(!) NTEs unter lebensbedrohenden und unter nicht lebensbedrohenden Umständen erlebt werden. Das heißt, NTEs haben nichts mit Lebensbedrohung zu tun – auch wenn dieser falsche Zusammenhang manchmal subjektiv so empfunden werden kann.
NTEs lassen sich komplett als Ergebnis eines recht einfachen Erinnerungsvorgangs erklären – bei dem man live bewusst erleben kann, wie das Gehirn einen einzelnen Reiz/Gedanken systematisch und strukturiert verarbeitet. Dieses NTE-Erklärungsmodell wird seit 2006 veröffentlicht und der taz-Beitrag zeigt leider wieder einmal, dass hierzu keine sorgfältige Recherche durchgeführt wurde – sonst hätte man diese Info finden müssen. Aktuelle Buchquelle: Kinseher, Richard „Auflösung großer Fragen: Was ist Bewusstsein? Was ist Zeit?“
Richard Kinseher
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