: Kampf gegen Windmühlen
Berlin hat eine scharfe gesetzliche Regelung gegen illegale Touristenvermietung. Eigentlich
Aus Berlin Erik Peter
Es ist ein fast schon verzweifelter Versuch, der Ausbreitung von Ferienwohnungen etwas entgegenzusetzen. Ende Mai beantragten die Grünen im Bezirksparlament Friedrichshain-Kreuzberg, ein Verbot von im öffentlichen Raum angebrachten Schlüsselboxen zu prüfen. Die kleinen Tresore sind überall in Berlins Innenstadtbezirken zu finden, an Hauswänden und Gittern oder Fahrradständern – ganz oft enthalten sie Schlüssel zu Ferienwohnungen.
Zwar hat ein erster Ausschuss den Antrag schon angenommen, trotzdem stehen die Chancen schlecht. Laut der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sehe man „keine Rechtsgrundlage“ für ein solches Verbot, wie es zuletzt Dublin beschlossen hat. Schließlich dienen die Schlüsselboxen auch anderen Zwecken, etwa für Hausmeister.
Ein Verbot wird es daher vermutlich nicht geben, und bräuchte auch keins: Denn Berlin hat mit dem „Zweckentfremdungsverbotsgesetz“ eine scharfe gesetzliche Regelung gegen die illegale Touristenvermietung. Eigentlich.
Seit 2014 und einer Verschärfung 2018 ist die Umwandlung von Wohnraum in Ferienappartements in Berlin reguliert. Wer eine Wohnung an Tourist:innen vermieten will, muss dies beantragen und erhält dann eine Registriernummer, die in Anzeigen zwingend anzugeben ist. Genehmigt werden aber lediglich Vermietungen von einzelnen Zimmern oder von ganzen Wohnungen an weniger als 90 Tagen im Jahr. Ganzjährige, rein touristische Ferienwohnungen sind außerhalb von Gewerberäumen nicht zulässig.
Nur: Diejenigen, die mit Wohnungen noch mehr Geld machen wollen als durch überhöhte Miete, ficht das nicht an. Zwischen 2018 und 2022 wurden lediglich 3.400 Anträge auf die Nutzung von Ferienwohnungen gestellt. Dem gegenüber stehen laut Deutschem Ferienwohnungsverband mehr als 38.000 Ferienwohnungen in der Stadt. Es gibt also ein riesiges gesetzliches Vollzugsdefizit – doch Law-and-order-Parteien wie die regierende CDU beschäftigen sich lieber mit nicht verzolltem Shisha-Tabak.
Anträge zu bearbeiten, Registriernummern zu vergeben und illegale Ferienwohnungen zu verfolgen, obliegt den Bezirken. Doch deren Ressourcen sind knapp. Für eigene Internetrecherchen etwa beim Rechtsbruch-Unterstützer-Portal Airbnb fehlen ausreichend Mitarbeiter:innen, ebenso wie für Vor-Ort-Kontrollen.
Dennoch ist man nicht untätig: Bis 2022 wurden mehr als 6.000 ehemalige Ferienwohnungen wieder in normale Mietwohnungen umgewandelt, viele weitere Verfahren eröffnet. Verhängt wurden Bußgelder in Höhe von 7,4 Millionen Euro, von denen etwa ein Drittel eingetrieben wurde.
Doch all das kommt einem Kampf gegen Windmühlen gleich, die Zahl der Ferienwohnungen hat sich von 2018 mit geschätzt 20.000 bis heute fast verdoppelt. Helfen würde eine Kooperationsbereitschaft von Airbnb, was aber ein kühner Traum ist. Eine Lösung wäre eine Software für eine automatisierte Auswertung öffentlich zugänglicher Daten der Onlineplattformen, mit der sich illegale Angebote ohne gültige Registriernummer leicht herausfiltern ließen. Weil der Senat hier untätig bleibt, sind einige Bezirke in dieser Richtung aktiv geworden.
Trotzdem muss die Angst der Ferienwohnungsvermieter nicht allzu groß sein: Ausreichend Personal werden die Bezirke weiterhin nicht haben. Einige Berliner Mietaktivist:innen nehmen die Sache daher selbst in die Hand und knacken Schlüsselboxen.
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