: „Dieselruß schadet dem Auto-Image nicht“
Autofahren ist viel teurer als gedacht – Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin über die Wahrnehmungdes Kilometerpreises. Bus und Bahn haben auf Dauer nur mit neuen Konzepten für junge Großstädter eine Chance
taz: Der Benzinpreis bleibt hoch. Wann werden die Leute in Bus und Bahn umsteigen?
Andreas Knie: Höhere Spritpreise bringen keinen Autofahrer dazu, mehr öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Die Leute werden sich eher keinen neuen DVD-Spieler kaufen oder eine kürzere Urlaubsreise machen, als im Alltag weniger zu fahren.
Ökosteuer und steigender Benzinpreis führen seit 1999 dazu, dass die Autos insgesamt weniger unterwegs waren …
Das ist eine Mär, die Berechnungsgrundlagen waren falsch. Tatsächlich hat es in den vergangenen Jahren keinen Rückgang der Jahreskilometerleistung in Deutschland gegeben. Die Zahlen sind dadurch verfälscht worden, dass der erhebliche Tanktourismus nach Holland und Polen nicht einberechnet und die Durchschnittsverbräuche falsch geschätzt wurden.
Aber das Auto ist deutlich teurer geworden. Wieso reagieren die Leute nicht?
Kosten werden grundsätzlich subjektiv eingeschätzt. Weil den Verbrauchern das Auto so wichtig ist, werden sie versuchen, die Kosten vor sich selbst zu verstecken. Das funktioniert beim Auto hervorragend, weil zu unterschiedlichen Zeitpunkten und für unterschiedliche Nutzungszeiträume bezahlt wird. Anschaffung, Kreditkosten, Steuern, Versicherung, Reparaturen und Benzin stehen auf unterschiedlichen Rechnungen. Die gefühlten Kosten betreffen meist nur noch den Sprit. Verglichen mit der Bus- oder Bahnfahrkarte kommt das Auto dann besser weg. Die meisten Leute schätzen den Kilometerpreis nur etwa halb so hoch ein, wie er wirklich ist.
Dass derzeit alle Medien kritisch über Abgase und Rußfolgen berichteten, gab es schon lange nicht mehr. Ist das kein Ansatz zum Umdenken?
Bestimmt nicht. Der Autoverkehr hat keinen Imageschaden erlitten, sondern nur der fehlende Dieselrußfilter. Und was die Gegenmaßnahmen angeht: Es wird Klagen geben und hier und da Fahrverbote für Lkw in bestimmten Straßen. Man wird versuchen, die Zahl der dreckigen Lkw zu reduzieren. Aber an einem der zentralsten Grundsätze im wiedervereinigten Deutschland, dass nämlich niemand Nachteile aufgrund seines Wohnorts haben darf, ändert das nichts.
Wieso ist das wichtig?
Keine Ortschaft darf in Deutschland Nachteile aufgrund schlechter Erreichbarkeit haben. Wenn jemand aufs Land zieht, bekommt er nicht nur Eigenheimzulage und Pendlerpauschale, sondern hat auch noch den Anspruch, dass die Allgemeinheit eine Straße dahin bauen muss. Unter diesen Voraussetzungen werden die Leute sich immer weiter so verhalten wie heute. Wollen wir die Rolle des Autos zurückdrängen, müssen wir jedem sagen, der aufs Land zieht: Wenn es da keine Straße gibt, ist das dein Problem. Seit dem Mauerfall haben wir etwa eine Billiarde Euro in Aufbau von Straßen, Schienen und andere Flächenerschließung gesteckt. Doch die Regionen blühen nicht, es entsteht nur ein riesiger Pendlersog.
Was heißt das für die Zukunft von Bus und Bahn?
In den letzten Jahren ist viel Geld in den öffentlichen Verkehr gepumpt worden. Trotzdem gelingt es nicht, neue Kundengruppen zu gewinnen. Die Alten ohne Auto, die keine Alternativen haben und bisher neben den Schülern den größten Teil der Nutzer stellen, werden immer weniger.
Gibt es keinen Hoffnungsschimmer?
Die längerfristige Hoffnung richtet sich auf junge Menschen in den Städten, die offen sind und flexibel leben. Den Sprung des 18-jährigen Großstädters ins Auto kann man abfedern durch attraktive kombinierte Angebote, bei dem er mal Rad, mal Auto und mal S-Bahn fährt.
Wie könnte das praktisch aussehen?
Nutzen ohne nachzudenken – das ist der große Vorteil des Autos. Neue Angebote müssen sich daran orientieren. Wenn die Leute verschiedene Verkehrsmittel nutzen sollen, ist es wichtig, dass sie nicht jedes Mal überlegen müssen, ob sie einen Anschluss bekommen oder wie viel das Ticket für den Bus kostet. So müsste es eine Zugangskarte für alle Verkehrsmittel geben, die man nicht jedes Mal abrechnet.
Wer könnte das organisieren?
Das ist ein weiter Weg. Denn sowohl in den Köpfen der Anbieter als auch der Nutzer von öffentlichem Verkehr gibt es die Fixierung auf jeweils nur ein Verkehrsmittel. Es gibt zurzeit keinen Anbieter, weder im öffentlichen Verkehr noch immer privaten Automobilbereich, der wirklich Interesse an diesen intermodalen Angeboten hat. Alle schätzen den Markt als zu klein ein. Aber der öffentliche Verkehr bekommt zunehmend ein Problem, weil die Zwangskunden weniger werden. Bei der Bahn hat man verstanden, dass der Fern- und Nahverkehr nur dann auf bisherigen Niveau zu halten sind, wenn das Unternehmen auch ergänzenden Verkehr anbietet.
INTERVIEW: ANNETTE JENSEN