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Archiv-Artikel

Berufsakademien als Exportschlager

Heute beginnt in Cartagena die Lateinamerika-Konferenz der deutschen Wirtschaft. Lange Zeit vernachlässigt, gewinnt der Kontinent für hiesige Firmen wieder an Bedeutung. Ein in Zukunft gefragtes Produkt: Bildung nach deutschem System

VON KATHARINA KOUFEN

Anfang der 90er-Jahre schrieb die deutsche Wirtschaft Mittel- und Südamerika erst einmal ab – nach der Wiedervereinigung lockten die Märkte Osteuropas. Und seit Mitte der 90er wird nach Asien expandiert, vor allem nach China, dem neuen Handelsgiganten. Mittlerweile jedoch scheint sich der Trend leicht umzukehren. 2004 nahm der Handel deutscher Unternehmen mit den Ländern südlich der USA um 10 Prozent zu. Ab heute tagt im kolumbianischen Cartagena die Lateinamerika-Konferenz der deutschen Wirtschaft. Ziel: den Handel weiter zu verstärken.

Eines der Produkte, bei denen „made in Germany“ für Qualität steht, ist Bildung. Konkret: Berufsakademien, wie sie in den 70er-Jahren in Baden-Württemberg entstanden sind. Sie bieten eine Ausbildung an, bei der die Absolventen gleichzeitig Studenten und Angestellte einer Firma sind. Seit fünf Jahren gründen die Deutsche Außenhandelskammer, südamerikanische Kammern und die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) gemeinsam solche Akademien in Kolumbien.

Dahinter steht die Erkenntnis, dass den meisten kolumbianischen Mittelständlern vor allem gut ausgebildete Fachkräfte fehlen. Auf freie Stellen bewerben sich meist entweder Menschen ohne Berufsabschluss oder Uni-Absolventen, die noch nie in einem Betrieb gearbeitet haben.

Mittelständler wie Mauricio Reyes, Chef eines Reiseunternehmens in der Hauptstadt Bogotá, klagen daher: „Ständig suchen wir Leute. Ich bin nur noch dabei, neue Leute anzulernen.“ Alle 16 Monate wechselt ein kolumbianischer Angestellter im Schnitt den Arbeitsplatz. Nur 7 Prozent aller Kolumbianer haben eine mit deutschen Verhältnissen vergleichbare Ausbildung, die meisten arbeiten für wenig mehr als den Mindestlohn von etwa 120 Dollar im Monat.

Fünf Berufsakademien wurden bisher in Kolumbien gegründet, mehrere hundert Studenten aufgenommen. Die ältesten stehen kurz vor dem Abschluss. Zum Beispiel BWL-Student Pedro López. Der 27-Jährige fand die Ausbildung „teilweise ganz schön hart“. Im Vergleich zu den traditionellen Universitäten verlangte die Berufsakademie „Disziplin nach deutschem Vorbild“, so Lopez: Morgens um acht Uhr geht es los, um fünf ist Schluss, und das von Montag bis Samstag. Dafür dauert das Studium nur dreieinhalb Jahre, an den anderen Unis sind es mindestens fünf. Und: Die Studenten verdienen Geld – die 120 Dollar Mindestlohn. Zahlen muss der Betrieb. In Kolumbien, wo gute Ausbildung privat und teuer ist, ein wichtiges Argument. Die Hälfte aller Studenten an den traditionellen Unis brechen ihr Studium ab, weil ihnen das Geld ausgeht.

Für Lopez hat sich der Stress gelohnt: Er ist in einem Jahr fertig und hat einen Job sicher – als Exportleiter in der Mehlfabrik, wo er derzeit noch Auszubildender ist. Wie fast alle Studenten bleibt Pedro „seiner“ Firma treu. Ganz im Sinne der Akademie: Denn die will, so der ehemalige GTZ-Experte Alfred Vormfelde, den Betrieben gute Mitarbeiter ausbilden, „ein Leben lang“. Doch auch den Firmen soll zu mehr Wettbewerbsfähigkeit geholfen werden. Vormfelde: „Über die Studenten findet so etwas wie Unternehmensberatung statt“, für viele Betriebe in Kolumbien zum ersten Mal. Deshalb wird der Ausbildungsplan des Studenten nach den Bedürfnissen der Firma gebastelt.

Bisher werden die Berufsakademien noch vom deutschen Entwicklungsministerium als Public Private Partnership mitfinanziert. Künftig jedoch, so stellt man es sich zumindest bei der GTZ vor, sollen Berufsakademien als Dienstleistung aus Deutschland auch so exportiert werden – ohne Unterstützung vom Staat.