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Schöner verwalten

Julia Borggräfe plädiert für eine selbstbewusste Bürokratie

Lange schienen im Ruf nach Bürokratie­abbau fast alle einig. Nun aber hat das Vorgehen von Elon Musk und seiner DOGE-Gefolgschaft in den USA deutlich gemacht, wie nah die libertäre Variante dieser Forderung der auf Demokratiezerstörung zielenden extremen Rechten ist. Das heißt freilich nicht, dass beim Zustand von Bürokratie und Verwaltung kein dringender Handlungsbedarf bestünde. Das zeigt Julia Borggräfe, Juristin und Beraterin für Verwaltungsinnovation, in ihrem klugen Buch „Bürokratopia. Wie Verwaltung die Demokratie retten kann“. Sie verweist darauf, dass nach aktuellen Befragungen nur 27 Prozent der Befragten darauf vertrauten, „dass der Staat seine vielfältigen Aufgaben bewältigen kann“. 69 Prozent dagegen „halten ihn für überfordert“. Vor diesem Hintergrund argumentiert Borggräfe gerade für eine Stärkung der Verwaltung. Sie leugnet weder Ineffizienz noch Bürgerferne, betont aber die Notwendigkeit eines „grundlegenden Wandels“: „Weg von der obrigkeitlichen zu einer agilen, kooperativen Verwaltungskultur“. Woran ein solcher Wandel bisher scheitert und was stattdessen zu tun wäre, zeigt sie detailliert an konkreten Fällen, etwa aus dem Bildungsbereich.

Vor allem aber ermutigt sie die Verwaltung zu „mehr Selbstbewusstsein im Hinblick auf ihre demokratische Bedeutung“. Gerade weil der Staat den Bürgerinnen und Bürgern in ihrem Alltag vor allem in Form der Verwaltung begegne, sei ihre Funktionsfähigkeit zentral für eine vertrauensvolle Beziehung ­zwischen Staat und Staatsbürger. Eine sich ihrer Bedeutung bewusste Verwaltung solle gegenüber der Politik fordernder auftreten, Verwaltungspraxis müsse eine größere Rolle in Gesetzgebungsverfahren spielen. Borggräfe wünscht sich – das ist der Kern ihrer „Bürokratopie“ – eine Verwaltung als „moderne, dynamische und kompetente Akteurin“ als wichtige Säule der Demokratie.

Julia Borg­gräfe: „Bürokratopia. Wie Verwaltung die Demokratie retten kann“. Wagenbach, Berlin 2025, 144 Seiten, 18 Euro

Borggräfe übergeht auch die gegensätzliche Seite nicht, worin eine der Stärken ihres Essays liegt: Verwaltung darf nicht zum Selbstzweck werden. Sie muss eine effektive Kontrolle durch die Gesellschaft gewährleisten. Je effizienter und mächtiger der Staat, desto mehr Kontrollmöglichkeiten müssen Staat und Verwaltung der Gesellschaft garantieren. Positionierte sich die Verwaltung als selbstbewusster Teil des demokratischen Staats, steigerte sie die dringend notwendige Resilienz gegenüber inneren wie äußeren Angriffen auf die Demokratie. Benjamin Schlodder

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