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Archiv-Artikel

Ein schönes Stück Demokratie

Nach jahrelanger Debatte beschließt Kuwaits Parlament das Wahlrecht für Frauen. Aktivistinnen kündigen Kandidatur für Parlamentswahlen an

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

Über 90 Jahre nach den deutschen Frauen, 50 nach den Französinnen und 15 Jahre nach den Frauen des Schweizerischen Kantons Appenzell erhielten nun endlich auch kuwaitische Frauen diese Woche das aktive und passive Wahlrecht. Die Entscheidung wurde überraschend am Montag nach einer neunstündigen Mammutsitzung mit 35 zu 23 Gegenstimmen im Männerparlament des Golfemirats gefällt.

Die Szenerie auf der Besuchertribüne des kuwaitischen Parlaments, auf der sich männliche und weibliche Befürworter versammelt hatten, glich nach der Verkündung des Ergebnisses fast der, die sich auf den Rängen eines Fußballstadions nach dem entscheidenden Torschuss in der Schlussminute abspielt. Mit brausendem Applaus und Jubelrufen wurde die Entscheidung begrüßt. Vor dem Parlamentsgebäude feierten anschließend zahlreiche Menschen die Annahme des Gesetzes mit Tanz und Feuerwerk.

„Ich bin überglücklich, ich kann es kaum glauben“, erklärte die kuwaitische Frauenrechtlerin Rula al-Daschti, die seit über einem Jahrzehnt für das Frauenwahlrecht gekämpft hat. Zusammen mit drei anderen Frauen kündigte sie an, bei den nächsten Parlamentswahlen als Kandidatin anzutreten und mit ihrem Wahlkampf sofort zu beginnen.

„Endlich wurde die zweite Hälfte der kuwaitischen Demokratie erfüllt“, titelte die Tageszeitung al-Sijasa am Dienstag und beschreibt das Frauenwahlrecht im darauf folgenden Artikel als eine „Verschönerung der Demokratie“, die längst überfällig sei. „Endlich haben wir das hinter uns“, sagte ein sichtlich erleichterter Premierminister Scheich Sabah al-Ahmad al-Sabah, gratulierte den Frauen und forderte sie auf, „zusammen mit den Brüdern das Land aufzubauen“.

„Es gibt keinen Verlierer in diesem historischen Projekt, sondern nur einen Gewinner, und der heißt Kuwait“, ließ Verteidigungsminister Dschaber al-Mubarak al-Sabah verlauten.

Vor sechs Jahren hatte der Emir von Kuwait, Scheich Ahmad al-Sabah, nach einer mehrjährigen Kampagne von Frauenrechtlerinnen das erste Mal eine Gesetzesvorlage zum Frauenwahlrecht vorgelegt, war aber damals und auch in den Folgejahren an einer Koalition von konservativen Stammesscheichs und Islamisten gescheitert, die die Mehrheit im Parlament bilden. Einige der islamistischen Parlamentarier haben nun erstmals für die Gesetzesvorlage gestimmt, weil ein weiteres Blockieren gesellschaftlich nicht mehr tragbar ist. Die Tageszeitung al-Qabas sieht das Frauenwahlrecht als einen klaren Sieg für die Regierung und einen Hinweis auf den langsamen Abstieg der Islamisten.

Einziges eher symbolisches Zugeständnis an die Konservativen: Laut dem neuen Wahlgesetz sollen sich Kandidatinnen und Wählerinnen gemäß der Scharia, dem islamischen Gesetz, verhalten. Was das allerdings bedeutet, wurde nicht definiert. Rula al-Daschti glaubt, dass damit nur getrennte Wahllokale, wie in den meisten arabischen und islamischen Ländern üblich, gemeint sein können. Massum al-Mubarak, eine politische Kommentatorin und Professorin an der Universität Kuwait, winkt bei der Einschränkung des Frauenrechts gemäß der Scharia ab. „Jede Bedingung für das Frauenwahlrecht wäre nicht verfassungskonform. Laut Verfassung haben jetzt alle das gleiche Wahlrecht, also keine besondere Kleidung bei den Wahlen, kein islamisches Gesetz oder sonst irgendwelchen Blödsinn“, erklärte Mubarak gegenüber dem Fernsehsender al-Dschasira.

Einige der unterlegenen Gegner des Frauenwahlrechts im Parlament sprachen von einem „schwarzen Tag“ und bezeichneten das Parlament als einen „Ausverkaufsladen“, der sich ausländischem Druck gebeugt habe. Ministerpräsident Ahmad al-Sabah antwortete darauf, dass die Gesetzesänderung vor allem dem internen Druck geschuldet sei. Andere Mitglieder des Parlaments erinnerten daran, dass es willkommener ausländischer Druck war, der Kuwait 1991 von irakischen Truppen befreit hatte.

Gestern hat das Parlament mit 50 zu 28 Stimmen beschlossen, die Kommunalwahlen von Juni auf Oktober 2005 zu verschieben, um den Frauen die Beteiligung zu ermöglichen. Die Kuwaiterinnen, die schon lange im Öl- und Bildungsbereich hohe Positionen innehaben, erwarten, dass die Regierung bereits bei der nächsten Kabinettsumbildung die ersten Ministerinnen bestellen wird.