: Gold und Krieg
Abseits des Scheinwerferlichts der Medien versinkt der Sudan immer weiter in Gewalt und Chaos.[1]Der am 15. April 2023 ausgebrochene Bürgerkrieg zwischen den Sudanesischen Streitkräften (SAF) unter General Abdel Fattah al-Burhan und den Rapid Support Forces (RSF), einer Miliz unter der Führung von Mohamed Hamdan Daglo, genannt Hemeti, hat bisher über 30 000 Menschenleben gekostet und 11 Millionen Menschen in die Flucht getrieben.[2]
Nach Angaben der Vereinten Nationen benötigt die Hälfte der Bevölkerung, also 25 Millionen Menschen, dringend Nahrungsmittelhilfe. Und die Aussichten auf Frieden sind nach wie vor düster. Die wenigen Vermittlungsversuche sind einer nach dem anderen gescheitert, etwa das von den USA und Saudi-Arabien initiierte Abkommen von Dschidda, das im Mai 2023 unterzeichnet wurde.
Zur Finanzierung ihrer Kriegszüge stützen sich sowohl die FAS als auch die RSF auf den Verkauf des im Sudan geförderten Goldes. Das öffnet nicht zuletzt auch der Einmischung durch ausländischer Kräfte Tür und Tor.
Bereits im Januar 2019 hatten die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) Burhan und Hemeti – die beiden Männer waren zum damaligen Zeitpunkt Verbündete – 100 Millionen US-Dollar überwiesen. Im Gegenzug entsandten diese Kämpfer der ehemaligen Dschandschawid-Miliz, die zur Ablenkung von ihrer Beteiligung an den Massakern in Darfur in Rapid Support Forces umbenannt worden war, in den Jemen, um dort die von den Golfmonarchien gebildete Koalition gegen die proiranischen Huthis zu unterstützen.
Als der Krieg zwischen den beiden starken Männern im Sudan 2023 begann, ergriff der Präsident der VAE, Mohamed bin Zayed Al Nahyan (MBZ), Partei für Hemeti. Abu Dhabi zahlt seither monatlich 500 000 US-Dollar für den Sold der RSF-Kämpfer und versorgt sie mit Munition und Kampfdrohnen.
Iran und Ägypten bewaffnen hingegen die SAF. Und Russland, das Hemeti lange Zeit unterstützt hatte, auch mithilfe von Söldnern der ehemaligen Gruppe Wagner (inzwischen in Afrikakorps umbenannt), kooperiert derzeit mit beiden Seiten.
Und schließlich mischen sich auch Saudi-Arabien, die Türkei und Katar in den Konflikt ein, um ihren Einfluss in der Region zu demonstrieren.
Einige dieser Akteure, allen voran die Golfmonarchien, verfolgen das Ziel, die Entwicklung im Sudan zu kontrollieren, also ein Übergreifen des Konflikts auf andere Länder zu verhindern. Manche, wie etwa Katar, agieren auch im Interesse ihrer Ernährungssicherheit: Sie pachten oder besitzen im Sudan landwirtschaftliche Flächen, auf denen sie Nahrungsmittel für ihre eigene Bevölkerung produzieren.
Aber für die VAE und Russland hat nicht zuletzt auch die Kontrolle des Goldhandels Priorität. Schließlich ist der Sudan der drittgrößte Produzent des Edelmetalls auf dem afrikanischen Kontinent. Schon lange vor dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 soll Russland die Finanzplätze der VAE genutzt haben, um die US-Sanktionen im Gefolge der Krim-Annexion zu umgehen (siehe den Beitrag von Charles Perragin und Guillaume Renouard auf Seite 4/5).
Sanktionen umgehen
Bereits in den 2010er Jahren war der Goldhandel via Abu Dhabi und Dubai auch für Iran eine Möglichkeit gewesen, westliche Sanktionen zu umgehen. Ebenso unterstützte Russland das von den USA mit massiven Sanktionen belegte venezolanische Regime von Präsident Nicolas Maduro, indem es tonnenweise venezolanisches Gold auf verschiedene ausländische Märkte flog, darunter auch Dubai, wo das Gold in Dollar und Euro getauscht wurde.
Die russische Regierung nutzte die Emirate auch für Geschäfte mit Gold aus mehreren afrikanischen Ländern. Im November 2023 unterzeichnete Moskau ein Abkommen mit der malischen Regierung über den Bau einer Goldraffinerie.
Mali, genauso wie Burkina Faso und Niger, setzt die ausländischen Unternehmen, die seine Goldvorkommen ausbeuten, zunehmend unter Druck.[3]Aufgrund des massiven Preisanstiegs des Edelmetalls verändert sich unter diesen Umständen auch die geostrategische Rolle des afrikanischen Kontinents.
Die Umgehung von Sanktionen mithilfe des Goldmarkts blieb natürlich nicht unbemerkt. Schon Ende 2023 stellte die UN-Expertengruppe für den Sudan fest: „Die Vereinigten Arabischen Emirate helfen den RSF, an Gold zu gelangen, das sanktionierte Unternehmen illegal aus dem Sudan schmuggeln.“
Laut einem Bericht der NGO Swissaid vom Mai 2024 sind die VAE der Hauptempfänger von illegal aus dem afrikanischen Kontinent geschmuggeltem Gold.[4]Swissaid schätzt, dass die Emirate zwischen 2012 und 2022 mehr als 2500 Tonnen geschmuggeltes Gold im Wert von rund 115 Milliarden US-Dollar aus Afrika bezogen haben.
Nach Berechnungen der NGO gehen über 80 Prozent des in Afrika handwerklich und in Kleinbetrieben abgebauten – also nicht industriell gewonnen – Golds in die Emirate und von dort weiter auf den Weltmarkt.
Die Regulierungsinstitutionen scheinen unsicher, wie sie mit dieser Situation umgehen sollen. So ist Emirates Gold DMCC, eine der größten Edelmetallraffinerien des Nahen Ostens, zwar seit Juli 2023 vom Zugang zu den Goldmärkten in Dubai und London suspendiert. Allerdings hat die Financial Action Task Force (FATF), die internationale Organisation zur Überwachung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, die VAE im Februar 2024 von ihrer grauen Liste gestrichen.
Ein weiteres Land, gegen das es belastende Hinweise in Bezug auf den Goldhandel zur Umgehung von Sanktionen gibt, ist Indien. Ebenso wie die VAE hat die indische Regierung unter Premierminister Narendra Modi alles darangesetzt, ihre guten Kontakte zu Russland trotz der Invasion in der Ukraine aufrechtzuerhalten. Auch hier gehen viele Experten davon aus, dass russische Wirtschaftsakteure den Goldhandel in Indien nutzen, um den US-amerikanischen und europäischen Sanktionen zu entgehen.
Zugleich beobachten die US-amerikanischen Behörden derzeit die Verlagerung eines Teils des russischen Goldhandels in die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong. Diese seit April 2024 anhaltende Entwicklung soll eine Folge des Drucks der USA auf die VAE sein, auf ihren Märkten, vor allem in Dubai, die von der FATF empfohlenen Standards einzuhalten.
Tristan Coloma
1↑ Siehe Gérard Prunier, „Sudan – vom Krieg zerrissen“, LMd, März 2024.
2↑ „Displacement in Sudan Crosses 11 Million as Devastating Crisis Reaches New Heights: IOM Chief“, IOM News, 29. Oktober 2024.
3↑ „Comment les pays sahéliens reprennent en main leur secteur aurifère?“, RFI, 11. Oktober 2024.
4↑ Marc Ummel und Yvan Schulz, „Dem afrikanischen Gold auf der Spur“, Swissaid, Mai 2024.
Aus dem Französischen von Nicola Liebert
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