: Weite Wege bis ins Endspiel
Der HK Budapest spielt im Finale um die deutsche Meisterschaft gegen den ECDC Memmingen. Die Ungarinnen hatten sich der deutschen Liga angeschlossen, um sich sportlich weiterzuentwickeln

Von Martin Mühl
Nur noch ein Sieg fehlt den Eishockeyspielerinnen des ECDC Memmingen vor dem dritten Spiel in der Playoff-Finalserie gegen den HK Budapest am Samstag in der heimischen Eissporthalle am Hühnerberg zur dritten Meisterschaft in Folge in der Deutschen Frauen Eishockey Liga (DFEL). Sollten die Ungarinnen den 0:2 Serienrückstand in der Best-of-five-Serie wider Erwarten noch drehen, wären sie der erste ausländische deutsche Meister in der DFEL. Überhaupt ist der HK Budapest nach den Amsterdam Tigers erst der zweite ausländische Verein, der in der DFEL an den Start geht.
Angesichts der geografischen Außenlage ist der Finaleinzug für die Budapesterinnen bereits ein Erfolg. „Die Auswärtsfahrten bringen uns an die Grenze unserer finanziellen Möglichkeiten“, sagt Geschäftsführerin Laura Márton. Auch Stürmerin Réka Dabasi sieht die großen Entfernungen bei Auswärtsspielen als Wettbewerbsnachteil. „Die langen Fahrten rauben uns sehr viel Energie.“, sagt die ungarische Nationalspielerin. Anders als der ECDC Memmingen, der in den Playoffs zu den Auswärtsspielen nach Budapest geflogen ist, fahren die Budapesterinnen immer mit dem Bus. Dabei müssen sie Distanzen von bis zu 1.000 Kilometern pro Strecke zurücklegen.
Dennoch bereut der Verein die Teilnahme an der deutschen Liga nicht und plant auch in der kommenden Spielzeit in der DFEL anzutreten. Bis zur vergangenen Saison spielte der Verein in einer multinationalen Liga, der European Women’s Hockey League (EWHL). Darin versammeln sich Mannschaften aus Österreich, Ungarn, Tschechien, der Slowakei, Polen, Italien und Kasachstan. Nach fünf Meisterschaften hintereinander und einer Vizemeisterschaft suchten die Verantwortlichen eine neue Herausforderung. „In der EWHL haben wir teilweise Hauptrunden ohne Punktverlust gespielt, in der DFEL ist der Wettbewerb hingegen viel ausgeglichener und wir müssen immer 60 Minuten lang voll konzentriert bleiben, um unsere Spiele zu gewinnen“, sagt Spielerin Debasi.
Insbesondere die im Vergleich zur EWHL physischere Spielweise in der deutschen Liga mit mehr Körperkontakt hat den Spielerinnen zu Saisonbeginn zu schaffen gemacht. Auch an das höhere Tempo musste sich die Mannschaft erst gewöhnen. Dennoch gelang es dem HK Budapest, die Hauptrunde auf Platz 2 zu beenden und die Playoff-Halbfinalserie gegen die Eisbären Berlin mit 3:0 zu gewinnen. „Es ist uns gelungen, unser Spielniveau in dieser Saison deutlich zu verbessern“, freut sich die Budapester Geschäftsführerin Márton.
Wie auch in Deutschland ist die finanzielle Situation der Eishockeyspielerinnen in Ungarn sehr prekär. Um die erforderliche Leistung zu bringen, müssen die Spielerinnen täglich trainieren und ihr Leben komplett auf den Sport ausrichten. Aufgrund der historisch gewachsenen Genderungleichheit im Leistungssport können Erstligaspielerinnen, anders als ihre männlichen Kollegen, nicht von ihrem Sport leben. Sie müssen einer Lohnarbeit nachgehen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. „Die Anforderungen des Leistungssports mit denen des Alltags und der finanziellen Absicherung auszubalancieren, ist sehr schwierig“, sagt Réka Dabasi. Dabei hat sie noch Glück. Sie ist in der Social-Media-Abteilung des HK Budapest angestellt und kann so ihren Broterwerb gut mit dem Ligaalltag koordinieren. Die meisten ihrer Mitspielerinnen hätten diese Möglichkeit jedoch nicht.
Für die Zukunft wünscht sich Dabasi daher ein duales Karriereprogramm, das vom ungarischen Eishockeyverband, den Vereinen sowie Sponsoren getragen wird. Dieses Programm soll es Spielerinnen ermöglichen, sich während ihrer aktiven Karriere voll auf den Sport zu konzentrieren. Ein derartiges Konstrukt soll dabei helfen, den Übergang vom Leistungssport zum Berufsalltag nach Karriereende zu erleichtern.
Insgesamt sieht Dabasi das Fraueneishockey in Ungarn auf einem guten Weg. Das lässt sich auch an Erfolgen der Nationalmannschaft ablesen. So gelang es der Nationalmannschaft im vergangenen Jahr erstmals, in die als Top-Division bezeichnete erste Liga der Weltmeisterschaft aufzusteigen. Anders als zum Beispiel im Fußball, wo es Qualifikationszyklen gibt, sind die Nationalmannschaften im Eishockey in einem Ligasystem mit Auf- und Abstieg organisiert. Beihane hätten es die Ungarn sogar zu Olympia geschafft. Im entscheidenden Spiel der Qualifikation im Februar mussten sich die Ungarinnen dem deutschen Team knapp mit 1:2 geschlagen geben.
Auch im Nachwuchsbereich tut sich in Budapest etwas. 2021 hat der HK Budapest ein Team an der Jugendakademie Budapest Jégkorong Akadémia (BJA) mitgegründet, wo Spielerinnen im Alter von 14 bis 18 Jahren ausgebildet werden. Die Mannschaft der BJA spielt in der EWHL. So haben die Spielerinnen die Möglichkeit, Spielpraxis gegen deutlich ältere Gegenspielerinnen zu sammeln. Der Sprung in die erste Mannschaft des HK Budapest ist dann nicht mehr so groß. Die Erfolge der Akademiearbeit wurden bei der diesjährigen U18-WM sichtbar, bei der Ungarn erstmals der Aufstieg in die Top-Division gelang.
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